Wenn Bosse die Grundsicherung charmant finden

Auch in Vorstandsetagen ist das Grundeinkommen kein Tabu mehr.

Jetzt ist die Idee endgültig aus linken Zirkeln heraus und in der Deutschland AG angekommen: Siemens-Konzernboss Joe Kaeser hat neulich bei einer Veranstaltung die Einführung eines Grundeinkommens angeregt. Nicht eines bedingungslosen, aber immerhin. Denn bisher war diese Idee in DAX-Vorstandsetagen eher nicht gerade Mainstream.

Klar: Konzernchefs sehen als Erste, wohin der Hase in der Produktion läuft. Allein Deutschland wird in den nächsten acht Jahren 1,6 Millionen Jobs in der Produktion an Automaten übertragen. Es werden neue, hoch qualifizierte Arbeitsplätze entstehen. Aber das immer wieder behauptete Jobnullsummenspiel geht nicht auf. Erstens lassen sich Fließbandarbeiter nicht so einfach zu Software-Ingenieuren umschulen. Und zweitens wird auch rein rechnerisch eine Riesenlücke bleiben.

Die jüngste Umstrukturierung bei VW lässt das Verhältnis erahnen: Der Autobauer stellt in den nächsten Jahren 9000 Software-Ingenieure ein. Und baut gleichzeitig 30.000 Produktionsarbeitsplätze ab.

Konzernchefs, die über die nächste Bonifikation hinausdenken, sehen da ein ziemlich großes gesellschaftliches Problem heraufdämmern. Und sie haben recht: Da die Digitalisierung ziemlich rasch voranschreitet, wird es auch viel schneller akut werden, als sich das viele vorstellen.

Natürlich ist die Forderung nach einem Grundeinkommen leicht dahingesagt, aber schwer umzusetzen und voller Probleme. Ist das Basiseinkommen mit Bedingungen verknüpft (wie es jetzt ja als Grundsicherung oder Hartz IV schon existiert), dann nimmt es Niedriglöhnern jeden Arbeitsanreiz. Ist es bedingungslos, dann stellt sich die Finanzierungsfrage. 1000 Euro im Monat für jeden Österreicher würden an die 100 Milliarden im Jahr kosten.

Da hat man allerdings noch Zeit, um zu überlegen. Was wirklich drängt, ist der Umbau des Steuersystems: Das gesamte Sozialsystem hängt derzeit an Abgaben auf Arbeit. Stellt man das nicht pronto um, dann wird man das Sozialsystem schon lang vor dem Vorliegen ausgereifter Einkommensabsicherungsmodelle zusammenkrachen sehen.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2016)

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