Wenn eine Schach-WM zur Lotterie verkommt

Sergey Karjakin of Russia makes a move against his opponent Magnus Carlsen of Norway during round 12 of the 2016 World Chess Championship match in New York
Sergey Karjakin of Russia makes a move against his opponent Magnus Carlsen of Norway during round 12 of the 2016 World Chess Championship match in New YorkREUTERS
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Im Vergleich von Titelverteidiger Magnus Carlsen mit dem Russen Sergej Karjakin steht es 6:6, somit fällt die Entscheidung im Schnellschach. Das ist umstritten, allerdings nicht neu – Großmeister empören sich dennoch.

New York. Macht Geburtstagskind Magnus Carlsen nun kurzen Prozess oder nimmt ihm Herausforderer Sergej Karjakin das Geschenk weg? Das WM-Duell um die Schachkrone geht in die Verlängerung, nach zwölf Partien steht es 6:6. Heute muss die Entscheidung in New York nun im Schnell-, mitunter auch Blitzschach genannt, fallen.

Favorit ist weiterhin der norwegische Titelverteidiger Carlsen, doch Karjakin war in dem ausgeglichenen und spannungsgeladenen Titelkampf keineswegs der harmlose Herausforderer, mit dem der Champion leichtes Spiel haben würde. Der Russe zeigte sich in seinem ersten WM-Finale erstaunlich reif. Ob es ein schönes Fest für Carlsen wird, der heute seinen 26. Geburtstag feiert?

Wie Elferschießen im Fußball?

Um den Weltmeister zu ermitteln, folgt ein Tiebreak von vier Schnellpartien mit einer Bedenkzeit von jeweils 25 Minuten pro Spieler. Dabei erhält jeder noch zehn Sekunden Zeitgutschrift pro Zug. Enden diese Partien mit einem 2:2, werden zunächst zwei Blitzpartien angesetzt – maximal sind fünfmal zwei Blitzpartien zu spielen. Bei diesen hat jeder Spieler lediglich fünf Minuten Bedenkzeit und bekommt für jeden Zug drei Sekunden Zeitgutschrift. Geht auch das letzte Mini-Match unentschieden aus, kommt es zur ultimativ letzten Partie, dem Sudden Death. Dabei erhält der Spieler mit Weiß fünf Minuten Bedenkzeit für die Partie – und muss gewinnen. Der Spieler mit Schwarz bekommt vier Minuten, aber ihm genügt ein Remis, um zum Weltmeister erklärt zu werden. Das ist eine ungeheure Belastung für beide Finalisten, die sich seit zweieinhalb Wochen in New York nichts geschenkt haben.

Schachfans in aller Welt freuen sich jedenfalls auf ein spektakuläres Spiel, das die Spannung auf die Spitze treibt. Doch der Modus ist umstritten. Der Titelkampf wird somit zur Lotterie, etwa so wie beim Elfmeterschießen im Fußball, empören sich Großmeister und zahlreiche Experten. Früher dauerten WM-Kämpfe 24 Partien, inzwischen wurden sie aus Kostengründen um die Hälfte reduziert.

Tiebreak ist keine Revolution

„Bei einem WM-Match sollte es 16 Spiele mit normaler Bedenkzeit geben, um jeden Zufall bei der Ermittlung des Schachkönigs auszuschließen“, fordert Russlands Ex-Weltmeister Anatoli Karpow. „Das ist kein Schach mehr. So kann man den Meister in einem Hinterhof ermitteln, aber nicht den Weltmeister.“ Doch diese Tiebreak-Regelung des Weltschachbundes (FIDE) wird bereits seit 2006 angewendet. Damals gewann der Russe Wladimir Kramnik in Elista gegen den Bulgaren Weselin Topalow – in der Verlängerung. 2012 besiegte der Inder Viswanathan Anand in Moskau Boris Gelfand aus Israel ebenfalls im Stichkampf. In beiden Fällen gewann der Titelverteidiger. (fin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2016)

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