Eine Stichwahl im Windschatten von Matteo Renzi

Italian Prime Minister Renzi leads a news conference in Rome
Italian Prime Minister Renzi leads a news conference in Rome(c) REUTERS (Stefano Rellandini)
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In Brüssel sorgt man sich mehr um das ebenfalls am Sonntag stattfindende Verfassungsreferendum in Italien. Das Interesse am österreichischen Urnengang ist im Zuge des Dauerwahlkampfs etwas erlahmt.

Brüssel. Die Tatsache, dass der österreichische Präsidentschaftswahlkampf mittlerweile seit einer gefühlten halben Ewigkeit geführt wird, hat auch auf europäischer Ebene Spuren hinterlassen. Während die erste, für ungültig erklärte Stichwahl zwischen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer in Brüssel mit Spannung mitverfolgt wurde, ist ein halbes Jahr später ein gewisser Gewöhnungseffekt festzustellen. Zwar wird in informellen Stellungnahmen reflexartig betont, dass die Wahl eines rechtspopulistischen Kandidaten zum Staatsoberhaupt eines EU-Mitglieds kein gutes Omen für Europa wäre, doch de facto sind die Blicke der Brüsseler Entscheidungsträger nach Italien gerichtet, wo am selben Tag ein Verfassungsreferendum stattfindet.

Die österreichische Stichwahl findet also im Windschatten des italienischen Premierministers Matteo Renzi statt, der im Vorfeld des Votums angekündigt hatte, seinen Posten zu räumen, sollte sein Vorschlag zur Reform des Senats nicht durchgehen. Im Gegensatz zur Wahl in Österreich wird in Rom auch um hohen europapolitischen Einsatz gespielt, denn in Italien schwelt eine Bankenkrise. Sollte Renzis möglicher Rücktritt innenpolitische Turbulenzen verursachen, könnte dies an den Finanzmärkten für Unruhe sorgen – mit unabsehbaren Folgen für das Land, das mit rund 130 Prozent des BIPs den zweithöchsten Schuldenstand nach Griechenland aufweist. Und eine vorgezogene Neuwahl könnte die populistische Fünf-Sterne-Bewegung an die Macht bringen, die ein Referendum über die italienische Mitgliedschaft in der Eurozone abhalten will. Im Gegensatz dazu wirken die ohnehin halbherzigen Warnungen Hofers vor einer weiteren europäischen Integration weniger bedrohlich – zumal mit der niederländischen Parlamentswahl im März und der französischen Präsidentenwahl im April/Mai zwei größere potenzielle Gefahren auf die EU zukommen. Und nachdem die Zustimmung der Österreicher zur EU infolge des britischen Austrittsreferendums eher zugenommen hat, hat der Freiheitliche seine zunächst stärker europakritischen Positionen abgemildert.

Falls Hofer das Rennen macht, könnte dies aber einen Kollateralschaden verursachen. In Brüssel wird derzeit darüber spekuliert, ob Ratspräsident Donald Tusk 2017 im Zuge einer Umbesetzung im Europaparlament und Rat einem Sozialdemokraten weichen muss. Im Kontext dieser Rochade wird immer wieder der Name Werner Faymann als möglicher Kandidat genannt. Mit Hofer in der Hofburg hätte Faymann ein Handicap.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.12.2016)

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