Präsidentin Park stürzt über einen der größten Korruptionsskandale in der jüngeren Geschichte. Nach Massenprotesten stimmte eine Parlamentsmehrheit für ein Amtsenthebungsverfahren gegen die unpopuläre Staatschefin.
Seoul/Peking. Bis zum Schluss hatte sie gehofft, dass sie in der Korruptionsaffäre um ein Amtsenthebungsverfahren doch noch herumkommt. Doch die Widerstände waren auch in der eigenen Partei zu groß: Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye muss ihr Amt ruhen lassen. Und zwar sofort. Mit überwältigender Mehrheit hat das südkoreanische Parlament am Freitag für ein Amtsenthebungsverfahren gestimmt. 234 der 300 Abgeordneten votierten gegen die umstrittene Präsidentin. Der 64-Jährigen im Blauen Haus, dem Sitz des Staatsoberhaupts, sind damit sämtliche Amtsvollmachten entzogen.
Das Verfassungsgericht des Landes muss noch bestätigen, dass die Abgeordneten gültige Gründe für eine Amtsenthebung genannt haben. Doch in der Praxis ist Park mit der Abstimmung vom Freitag politisch erledigt. Nach den massiven Protesten auch in den eigenen Reihen hatte sie selbst zuletzt angekündigt, dass sie ihr Schicksal in die Hände des Parlaments legen werde: Wenn eine Mehrheit gegen sie stimme, werde sie von sich aus zurücktreten.
Nun, nach dem Votum, bat Park das Volk um Entschuldigung. Es tue ihr sehr leid, dass sie mit ihrer „Nachlässigkeit“ ein „nationales Chaos“ verursacht habe, erklärte die entmachtete Staatschefin. Dabei habe das Land drängendere Probleme zu lösen, von der Wirtschaft bis zur nationalen Verteidigung. Ihren Rücktritt kündigte Park in der im Fernsehen übertragenen Rede aber nicht an. Die Aufgaben der Präsidentin gehen aber bereits jetzt durch den Parlamentsbeschluss an den amtierenden Premier, Hwang Kyo-ahn, über.
Vertraute soll Konzerne erpresst haben
Chung Sye-kyun, parteiloser Sprecher des Parlaments, begrüßte das Votum: „In den zurückliegenden Monaten lagen die Staatsgeschäfte praktisch brach“, kritisierte er. Mit dem Amtsenthebungsverfahren ende die Unsicherheit nun. Das Verfassungsgericht muss innerhalb der nächsten 180 Tage auch über die weiteren Schritte entscheiden. Noch ist offen, ob es zu vorgezogenen Neuwahlen kommt. Regulär wären sie erst in einem Jahr angestanden. Das Einzige, was sich bis zur Entscheidung des Obersten Gerichts nicht verändert, ist ihr Gehalt. Das wird ihr weiter ausgezahlt.
Park wird vorgeworfen, in eine umfassende Korruptionsaffäre verstrickt zu sein, die das Land seit mehr als zwei Monaten in Atem hält. Im Mittelpunkt der Affäre steht Choi Soon-sil, ihre Freundin aus Kindheitstagen. Obwohl Choi selbst kein Regierungsamt innehat, soll sie ihre Nähe zur Präsidentin genutzt haben, um umgerechnet mehr als 60 Millionen Euro von südkoreanischen Großkonzernen zu erpressen. Der Staatsanwaltschaft zufolge hat Choi insgesamt 53 Konglomerate dazu gedrängt, Geld an die von ihr kontrollierten Stiftungen zu zahlen. Im Gegenzug würden sie von der Präsidentin Vergünstigungen erhalten. Unter anderem bei Samsung gab es Durchsuchungen. Choi sitzt seit Anfang November wegen des Verdachts auf Bestechung und Machtmissbrauch in Untersuchungshaft. Park bestritt zunächst jegliche Beteiligung. Doch inzwischen hat sich herausgestellt, dass Park nicht nur freundschaftlich Choi eng verbunden ist. Sie hat ihrer Freundin auch Einblick in streng geheime Regierungsdokumente ermöglicht und sie sogar ihre Reden schreiben lassen.
Historisch unbeliebtes Staatsoberhaupt
Seit Wochen gehen Hunderttausende Südkoreaner auf die Straße, um gegen Park zu demonstrieren. An einigen Wochenenden waren es über eine Million. So große Demonstrationen hat das Land seit dem Ende der Diktatur unter ihrem skrupellosen Vater Park Chung-hee vor mehr als 35 Jahren nicht mehr gesehen. Doch auch ohne diese Korruptionsaffäre ist sie so unbeliebt wie kein Staatsoberhaupt in Südkorea vor ihr. Wichtige Strukturreformen der südkoreanischen Wirtschaft mit ihren übermächtigen, aber längst nicht mehr effizienten Großkonzernen unterließ sie. Die Jugendarbeitslosigkeit ist in ihrer Amtszeit in die Höhe geschnellt, ebenso die Staatsschulden. Sie hat in ihrer Amtszeit versucht, die Presse- und Meinungsfreiheit zu beschneiden. Ihr wird insgesamt ein autoritärer und intransparenter Führungsstil vorgeworfen. Zudem will sie die Geschichtsbücher der Schulen umschreiben, um die Verbrechen unter der Amtszeit ihres Vaters zu verschweigen.
Auch im Umgang mit dem verfeindeten Nordkorea hat sie einen noch härteren Kurs eingeschlagen und schrammte im vergangenen Jahr nur haarscharf an einer militärischen Auseinandersetzung vorbei. Fast wären Schüsse gefallen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2016)