Champion in Amerika: Der späte Triumph eines Heimatlosen

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FBL-CANADA-MLS-TORONTO-SEATTLEAPA/AFP/COLE BURSTON
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Andreas Ivanschitz ist der erste Österreicher, der die nordamerikanische Major League Soccer gewinnt. Es ist der zweite Meistertitel einer bewegten Karriere.

Toronto/Wien. Elf Jahre musste Andreas Ivanschitz auf den zweiten Titel seiner Karriere warten. 2005 stemmte er mit Rapid die Meisterschale der österreichischen Bundesliga, 2016 mit den Seattle Sounders die Philip F. Anschutz-Trophy der nordamerikanischen Major League Soccer (MLS) – als erster Österreicher überhaupt. Dazwischen liegt eine bewegte Karriere. Der 33-Jährige wurde gefeiert und angefeindet, führte ein Legionärsdasein, nannte Athen, Mainz und Valencia sein Zuhause. Aus dem Sonnyboy und Shootingstar wurde ein weit gereister Profi und Familienvater.

Schon mit 14 trainierte der Burgenländer bei den Rapid-Profis, mit 16 lief er erstmals für die Kampfmannschaft auf. Bald war Ivanschitz der Star in Hütteldorf, der grün-weiße Anhang verehrte ihn, 2003 war er „Rapidler des Jahres“. Zwei Jahre später führte er die Wiener zum Meistertitel. Dann der Bruch: Im Jänner 2006 wechselte der Mittelfeldspieler zu dem mit Red-Bull-Millionen wieder erstarkten Erzrivalen aus Salzburg. Beim Rekordmeister herrschte Empörung, der einstige Liebling sei ein Verräter und nur dem Ruf des Geldes gefolgt. „Ivanschitz Judas“ hallte es durch Hütteldorf. Auch im Teamtrikot wurde der bis heute jüngste ÖFB-Nationalteamkapitän im Hanappi-Stadion gnadenlos ausgepfiffen.

Gegen Messi und Ronaldo

Nach Salzburg ereilte ihn 2006 der Ruf des Auslands. Ivanschitz spielte für Panathinaikos Athen (bis 2009), in Mainz und ab 2013 in Valencia bei Levante. Nach einer guten ersten Saison in Spanien und Duellen mit Lionel Messi und Cristiano Ronaldo saß er meist nur noch auf der Tribüne, der Vertrag wurde aufgelöst.

Die Sounders hatten bereits 2013 erstmals den Kontakt gesucht, im Sommer 2015 kam der 33-Jährige schließlich nach Seattle. Eine extrem sportbegeisterte Stadt, berichtete Ivanschitz, die 2009 in die MLS eingestiegenen Sounders bringen es mit über 40.000 Zuschauern bei Heimspielen auf den höchsten Schnitt der gesamten Liga. Das Niveau sei zwar nicht so hoch wie in Spanien oder Deutschland – seit dem Wechsel in die USA hat es auch kaum Kontakt mit Teamchef Marcel Koller gegeben –, in den Play-offs aber gehe es richtig zur Sache.

Dass es die Sounders dorthin geschafft haben, grenzt an ein kleines Wunder. Noch Mitte Juli lag die Mannschaft in der Western Conference auf dem letzten Platz, die Experten hatten dem Team nur noch eine siebenprozentige Chance auf die Play-offs gegeben. Trainer Sigi Schmid musste gehen, Brian Schmetzer gelang die Wende: Die Sounders landeten im Westen noch an der vierten Stelle und gewannen in der Folge die K.-o.-Duelle gegen Sporting Kansas City, FC Dallas und den Colorado Rapids. Gegen Colorado gab Ivanschitz auch sein Comeback, er hatte wegen einer Innenbandverletzung im Knie sechs Wochen pausieren müssen.

Im Endspiel in Toronto kam er in der 73. Minute in die Partie. Auch nach der Verlängerung gab es keine Treffer, vor allem dank der Glanzparaden des Schweizer Sounders-Tormanns Stefan Frei, der auch zum besten Spieler des Finales (MVP) gewählt wurde. In der Elfmeter-Entscheidung verwertete Ivanschitz dann vor 36.045 Zuschauern seinen Penalty souverän, Seattle gewann 5:4.

Ungewisse Zukunft

Mit dem ersten MLS-Triumph der Sounders wurde auch rot-weiß-rote Sportgeschichte geschrieben. Noch kein ÖFB-Legionär konnte diesen Titel gewinnen: Emanuel Pogatetz' Klub Columbus Crew verlor das Vorjahresfinale, Andreas Herzog mit LA Galaxy 2004 und Michael Gspurning mit den Sounders scheiterten 2012 im Semifinale.

Ivanschitz kam in Seattles Meistersaison auf 30 Spiele, erzielte drei Tore und bereitete weitere sieben vor. Mit Jahresende läuft sein Vertrag aus. Wie lang er noch für die Sounders spielen wird, ist offen. Es wird Gespräche geben. Mit seiner Frau und den drei Kindern (neun, sechs und zwei Jahre alt) hat er sich in Bellevue, 15 Minuten von Seattle entfernt, gut eingelebt. Ivanschitz würde gern verlängern. (joe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2016)

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