Terror gegen Christen: „Schweres Verbrechen gegen alle Ägypter“

Egyptian security officials and investigators inspect the scene following a bombing inside Cairo's Coptic cathedral in Egypt
Egyptian security officials and investigators inspect the scene following a bombing inside Cairo's Coptic cathedral in EgyptREUTERS
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Eine Bombe in einer koptischen Kirche forderte Dutzende Tote, die meisten Opfer waren Frauen und Kinder.

Kairo. Bei dem schwersten Attentat auf Christen in der jüngeren Geschichte Ägyptens sind am Sonntag in Kairo mindestens 25 Gläubige getötet und über 30 verletzt worden – die meisten waren Frauen und Kinder. Viele Überlebende schweben noch in Lebensgefahr. Nach Angaben des Innenministeriums explodierte die Bombe während der Sonntagsmesse in der St.-Peter-und-Paul-Kirche, die sich direkt neben der Markus-Kathedrale in Abbasiya befindet, dem Sitz des koptischen Papstes Tawadros II.

Handyvideos zeigten nach der Explosion weinende und verletzte Menschen, die in dem verwüsteten Inneren des dreischiffigen Gotteshauses nach ihren Angehörigen suchten. „Überall waren Leichen, abgerissene Arme und Beine lagen auf dem Boden, die Bombe hatte einigen den Kopf abgerissen“, berichtete einer der total schockierten Betenden.

Auf Fotos sind Blutlachen, Kinderschuhe und auch ein zerfetztes Kopftuch zu sehen. Anders als die streng bewachte Papst-Kathedrale steht die Kirche St. Peter und Paul direkt an der Straße. Angehörige beschuldigten die Polizeibewacher, diese hätten zur fraglichen Zeit Frühstückspause gemacht. Gottesdienstbesucher hatten zunächst berichtet, der Sprengsatz sei durch ein Fenster in das Innere geschleudert worden. Andere dagegen sagten aus, eine Frau mit auffälligem Benehmen habe die Bombe kurz vorher neben dem Altar platziert.

Drei Tage Staatstrauer

Präsident Abdel Fattah al-Sisi ordnete eine dreitägige Staatstrauer an und erklärte, diese Tat werde nur Ägyptens Entschlossenheit stärken, alle Terroristen und ihre Helfer zu ermitteln und vor Gericht zu stellen. „Diese ekelhafte Terrorexplosion ist ein schweres Verbrechen gegen alle Ägypter“, erklärte Ahmed al-Tayyeb, der Chef von Al Azhar, der höchsten Lehranstalt des sunnitischen Islam.

Bisher bekannte sich niemand zu dem Verbrechen, das innerhalb von 48 Stunden das zweite schwere Attentat in der ägyptischen Hauptstadt war. Am Freitag hatten Terroristen im Stadtteil Giza an einer Straßensperre auf dem Weg zu den Pyramiden eine Autobombe gezündet, welche sechs Polizisten in den Tod riss und drei verwundete. Die Verantwortung für diese Terrortat reklamierte eine militante Gruppe mit dem Namen „Bewegung Hasm“, die nach Angaben ägyptischer Sicherheitsbehörden in Verbindung zu den Muslimbrüdern steht. Auf ihr Konto gehen auch die gescheiterten Mordversuche an Vize-Generalstaatsanwalt Zakareya Abdel Aziz und dem früheren Obermufti von Ägypten, Ali Gomaa. Laut dem Antikenministerium waren die Besucher bei den Pyramiden zu keinem Zeitpunkt gefährdet, auch sei das Plateau – anders als in sozialen Medien behauptet – nicht geräumt worden.

Die ägyptischen Kopten, die zu den ältesten christlichen Gemeinschaften des Orients gehören, klagen seit Jahrzehnten über Diskriminierung und religiös motivierte Gewalt. Das bisher schwerste Attentat gegen die Minderheit am Nil ereignete sich in der Neujahrsnacht 2011, sechs Wochen vor dem Sturz von Hosni Mubarak durch den Arabischen Frühling. Damals riss in Alexandria ein Selbstmordattentäter vor der Kirche der Zwei Heiligen 21 Betende mit in den Tod. Im Oktober 2011 fuhren Soldaten nach einer Demonstration von Christen mit gepanzerten Fahrzeugen in die Menge und walzten zwei Dutzend Kopten zu Tode.

Nach dem Sturz des Islamisten-Präsidenten Mohammed Mursi durch den heutigen Präsidenten al-Sisi und der blutigen Räumung der beiden Muslimbrüder-Protestlager in Kairo mit über 1000 Toten und 4000 Verletzten sahen sich die Christen im August 2013 in ganz Ägypten einem beispiellosen Rachefeldzug ausgesetzt. Islamistische Radikale plünderten und zündeten mehr als 60 Kirchen an, die meisten sind durch das ägyptische Militär wieder aufgebaut.

AUF EINEN BLICK

Bei einem der schwersten Anschläge in

der ägyptischen Hauptstadt Kairo sind in der koptischen Kirche Sankt Peter und Paul mindestens 25 Menschen getötet und Dutzende verletzt worden. Zunächst bekannte sich keine Gruppe zu

der Tat. Die meisten Getöteten waren Frauen, aber auch Kinder sollen unter den Opfern sein. Ein etwa zwölf Kilogramm schwerer Sprengsatz sei in einem Seitentrakt explodiert, der Frauen vorbehalten sei. Die koptische Kirche gehört zu den orthodoxen Kirchen im Orient, die sich im 5. Jahrhundert von Rom abgespaltet haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2016)

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