Lohn- und Sozialdumping: Strengere Strafen und mehr Bürokratie

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Die Anfang 2017 in Kraft tretende Novelle sollte Unternehmen eigentlich das Leben erleichtern. Doch die neue Gesetzeslage ist nicht nur streng, sondern sie bleibt auch weiterhin äußerst kompliziert.

Wien. Mit Jahreswechsel tritt ein neues Gesetz zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping in Kraft. Es bündelt zwar bestehende Vorschriften, bringt aber zusätzliche Komplexität und strengere Strafen.

Die Harmonisierung verstreuter Rechtsvorschriften und Erleichterung der Rechtsanwendung – nicht weniger hat sich das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) zum Ziel gesetzt. Bei näherem Hinsehen wird aber schnell klar, dass Unternehmen nach wie vor das Leben schwer gemacht wird. Die neue Gesetzeslage ist nämlich nicht nur streng, sondern weiterhin äußerst sperrig und kompliziert. In Kombination mit exorbitant hohen Strafen eine gefährliche Mischung. Die wichtigsten Punkte der Novelle im Überblick:

• Wie bisher haben Arbeitgeber oder Arbeitskräfte-Überlasser mit Sitz in EU, EWR oder Schweiz jede grenzüberschreitende Entsendung bzw. Überlassung der Zentralen Koordinationsstelle des Finanzministeriums zu melden (ZKO-Meldung). Neu ist, dass die Meldung ausschließlich über die elektronischen Formulare des Finanzministeriums erfolgen darf, im Gegenzug darf sie unmittelbar bis zur Arbeitsaufnahme erstattet werden. Auch reicht für Arbeitnehmer, die an einem bestimmten Projekt arbeiten, künftig eine Meldung alle drei Monate. Wird ein Arbeitnehmer bei mehreren (gleichartigen) Projekten eingesetzt, genügt in Zukunft überhaupt eine einzige Meldung.

• Gleichzeitig werden aber die Strafen für Meldeverstöße verdoppelt (auf bis zu 20.000 Euro je Arbeitnehmer). Das kann richtig ins Geld gehen und ist für Geschäftsführer und Vorstände besonders unangenehm, da sie für Strafen persönlich haften. Neu ist auch die Strafe der „Untersagung der Dienstleistung“ bei (wiederholten) Verstößen gegen die Meldepflichten.

• Beginnen Arbeitnehmer erst einmal ihren grenzüberschreitenden Einsatz in Österreich, zieht das LSD-BG die bürokratischen Daumenschrauben fester an. So sind ZKO-Meldungen und Sozialversicherungsunterlagen künftig immer am Arbeitsort bereitzuhalten, auch die Nachreichfrist wurde gestrichen. Ein anderer Ort im Inland kommt nur dann in Betracht, wenn dieser bereits in der ZKO-Meldung ausdrücklich genannt wurde. Eine zusätzliche Erschwernis bedeutet die Auflage, dass Arbeitgeber die kompletten Lohnunterlagen künftig in deutscher Sprache vorweisen müssen. Nur der Arbeitsvertrag kann alternativ auch in englischer Sprache bereitgehalten werden.

• Unternehmen, die mit Bauarbeiten beauftragt werden und dafür Fremdfirmen einsetzen, haften künftig als Bürge und Zahler für Mindestentgeltansprüche von nach Österreich entsandten oder überlassenen Arbeitnehmern. Der Endkunde der beauftragten Bauarbeiten haftet aber nur dann, wenn er vor der Beauftragung von der Nichtzahlung des Entgelts wusste oder wissen musste.

• Das sogenannte Montageprivileg, also die Ausnahme von inländischen Entgelt- und Urlaubsmindeststandards bei Montagearbeiten an Anlagen, wurde durch das LSD-BG neu gestaltet. Es wird künftig auf Anlagen beschränkt, die im Ausland durch den Arbeitgeber gefertigt wurden. Dass das Montageprivileg – neben den Montagearbeiten, Arbeiten zur Inbetriebnahme und den damit verbundenen Schulungen und Reparaturarbeiten – künftig auch Servicearbeiten umfasst, ist umgekehrt nur ein schwacher Trost.

• Dem vielfach geäußerten Wunsch nach einem weitgehenden Entfall der Melde- und Dokumentationspflichten bei konzerninternen Entsendungen bzw. Überlassungen kommt das LSD-BG nur in sehr eingeschränktem Maße nach. Ausnahmen bestehen künftig nur für besonders gut bezahlte Arbeitnehmer (über 6000 Euro pro Monat) und vorübergehende Entsendungen von besonderen Fachkräften zu besonderen Zwecken (zwei Monate pro Kalenderjahr).

• Wie bisher sind grenzüberschreitende „Arbeiten von geringem Umfang und kurzer Dauer“ wie bloße Geschäftsbesprechungen ohne „weitere Dienstleistungen“ von den Lohn- und Sozialdumping-Bestimmungen ausgenommen. Bedauerlicherweise hat es der Gesetzgeber verabsäumt, im LSD-BG klare Definitionen dieser Begrifflichkeiten vorzusehen. Dies macht diese Ausnahme nahezu unanwendbar.

• Die Rechtslage für Fälle der Unterentlohnung (insbesondere das Unterschreiten der KV-Mindestlöhne) ändert sich durch das LSD-BG im Wesentlichen nicht. Die Strafen für Verstöße bleiben gleich hoch (bis zu 50.000 Euro pro Arbeitnehmer sowie Untersagung der Geschäftsausübung in schweren Fällen). Klargestellt wird nur (aber immerhin), dass alle Zahlungen (zum Beispiel auch freiwillige Prämien) bei der Beurteilung, ob das zustehende Entgelt gezahlt wurde, anrechenbar sind.

Ein bürokratischer Koloss

Das Fazit: Trotz erkennbarer Bemühungen um mehr Transparenz und Klarheit ist das LSD-BG letztlich ein bürokratischer Koloss in neuem Gewand, ausgestattet mit zusätzlichen Bestrafungsmöglichkeiten. Zu hoffen bleibt, dass sich der staatliche Kontroll- und Bestrafungsapparat die echten schwarzen Schafe vornimmt und das neue Gesetz nicht zum Anlass nimmt, Unternehmen flächendeckend das wirtschaftliche (Über-)Leben noch schwieriger zu machen.


Dr. Philipp Maier, LL.M., ist Rechtsanwalt und Partner bei Baker McKenzie in Wien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.12.2016)

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