Ärztestreik: Appell der Regierung an die Hausärzte

Gesundheitsministerin Oberhauser: Ein Brief an alle 22.000 niedergelassenen Ärzte.
Gesundheitsministerin Oberhauser: Ein Brief an alle 22.000 niedergelassenen Ärzte.(c) APA/ROBERT JAEGER
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Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser wirbt in einem Brief für die geplanten Primärversorgungszentren.

Wien. Vor dem Ärztestreik am Mittwoch wandten sich Bundesregierung und Ärztekammer nochmals an die Öffentlichkeit. In drei Bundesländern, in Wien, dem Burgenland und Kärnten, sind Streikmaßnahmen geplant, in den restlichen Bundesländern wollen die Ärzte auf andere Weise gegen Pläne zur Gesundheitsreform protestieren. In Wien wollen 80 Prozent der Hausärzte ihre Praxen schließen, im Burgenland sperren die Hausärzte um zwölf Uhr zu, und in Kärnten sind sämtliche niedergelassenen Ärzte – also auch die Fachärzte – zum Streik aufgerufen.

Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) und Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) haben sich mit einem Brief an sämtliche 22.000 niedergelassenen Ärzte gewandt. Darin wird den Medizinern zugesichert, dass die Hausärzte weiterhin eine zentrale Rolle spielen werden. Man wolle aber auch neue Modelle der Primärversorgung fördern.

„Das können Zentren sein oder Netzwerke, in denen mehrere HausärztInnen im Team mit anderen Gesundheitsberufen in einem organisatorischen Verbund miteinander kooperieren. Klar ist: Auch bei diesen neuen Modellen werden HausärztInnen eine zentrale Rolle spielen“, heißt es in dem Brief.

Die Primärversorgung bringe auch „bessere und modernere Arbeitsbedingungen“. Mit „Möglichkeit zum Austausch im Team, leichteren Vertretungsregelungen und familienfreundlicheren Arbeitszeiten“ werden auch die Vorteile für die Ärzte hervorgestrichen. Für die Patienten werde sich in puncto freier Arztwahl nichts ändern.

Ärztekammer warnt

Die Ärztekammer allerdings bleibt bezüglich der Primärversorgungszentren skeptisch. Arthur Wechselberger, der Präsident der Bundesärztekammer, befürchtet Verschlechterungen für die Patienten in der ambulanten, niedergelassenen Versorgung. „Wir glauben, das ist schlecht, denn es geht der direkte, individuelle Kontakt zum gewohnten, behandelnden Arzt verloren, es wird zentralisiert, es geht die Wohnortnähe verloren, es wird das Leistungsspektrum eingeschränkt sein“, sagte Wechselberger in einem Ö1-Interview.

Wenn man den niedergelassenen Bereich stärken möchte – „und das muss man tun“ –, dann solle man auf Bewährtem aufbauen, die bestehenden Arztpraxen vernetzen und die Zusammenarbeit der Ärzte verbessern. Dazu brauche es „frisches Geld“, so der Ärztekammerpräsident. Denn vorgesehen sei, dass dafür 200 Mio. Euro verwendet werden, diese müssten aber zuvor im System eingespart werden, so Wechselberger.

Nicht weit genug geht der Streik den Grünen. Deren Ärztevertreter bemängeln, dass in Wien nur die Hausärzte, also sechs Prozent der Ärzteschaft, zum Streik aufgerufen sind, nicht aber die Fachärzte oder die Wahlärzte. Da vermisse man Solidarität.

Unterstützung für die Regierung kommt von Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer, der den Primärversorgungszentren grundsätzlich positiv gegenübersteht. „Ich halte sie für o. k., sie müssen sich erst bewähren“, sagte er. Allerdings dürften die Hausärzte dadurch nicht in wirtschaftliche Probleme kommen, diese seien nach wie vor die wichtigste Ebene und gehörten gestärkt. „Es geht darum, dass diese Zentren nicht Konkurrenz, sondern eine Ergänzung sind“, so Mödlhammer. Er forderte Ärztekammer und Regierung zu Verhandlungen auf.

Mitarbeiter mit Lohnanspruch

Für die teilnehmenden Mediziner kommen die Protestmaßnahmen teuer: Sie verlieren an dem Streiktag nicht nur ihre Einnahmen, sondern müssen auch die Gehälter ihrer Mitarbeiter weiter bezahlen. Wie die Gewerkschaft der Privatangestellten mitteilt, bleiben auch bei geschlossenen Ordinationen die Entgeltansprüche bestehen. Die Mitarbeiter seien nicht verpflichtet, an diesem Tag Urlaub oder Zeitausgleich zu nehmen. (maf)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2016)

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