EU-Parlament am Katzentisch

EU-GIPFEL DER STAATS- UND REGIERUNGSCHEFS IN BRUeSSEL: KERN / GRYBAUSKAITE / MERKEL
EU-GIPFEL DER STAATS- UND REGIERUNGSCHEFS IN BRUeSSEL: KERN / GRYBAUSKAITE / MERKELAPA/BKA/ANDY WENZEL
  • Drucken

Die Staats- und Regierungschefs werden bei den EU-Austrittsverhandlungen mit London tonangebend sein.

Brüssel. Aus dem geplanten Dinner wurde ein knapp halbstündiger Gedankenaustausch: Nachdem der EU-Gipfel am Donnerstag gut vier Stunden länger dauerte als ursprünglich gedacht, wurde der informelle Teil des Abends, bei dem es um das Format der EU-Austrittsverhandlungen mit Großbritannien gehen sollte, radikal verkürzt. Nach der Abreise der britischen Premierministerin, Theresa May, einigten sich die restlichen 27 Staats- und Regierungschefs der Union auf die Rahmenbedingungen der Brexit-Gespräche. Im Vorfeld des Gipfeltreffens in Brüssel wurde bereits an einem eineinhalbseitigen Fahrplan Richtung Brexit gearbeitet. Seine zwei Kernaussagen: Erstens wird der Europäische Rat, das Gremium der Staats- und Regierungschefs, bei den bevorstehenden Verhandlungen mit London tonangebend sein. Und dem Europaparlament wurde zweitens nur ein Platz am Katzentisch zugewiesen.

Startschuss für den Austrittsprozess ist der offizielle Austrittsantrag gemäß Artikel 50 des EU-Vertrags, den May spätestens Ende März 2017 stellen will. Ab diesem Moment tickt die Uhr, denn Artikel 50 sieht vor, dass die EU-Mitgliedschaft nach zwei Jahren erlischt. Den Verhandlern bleiben angesichts der Fristenläufe und notwendigen Ratifizierungen de facto maximal eineinhalb Jahre für die Kompromisssuche.

Die Leitlinien für die Verhandlungen arbeitet der Europäische Rat aus, in dessen Namen die EU-Kommission mit der britischen Regierung verhandelt. Allerdings sollen Vertreter des Ratspräsidenten, Donald Tusk, bei den Verhandlungen anwesend sein und „mit unterstützender Funktion neben Vertretern der Europäischen Kommission an allen Verhandlungssitzungen teilnehmen“, heißt es in dem beschlossenen Prozedere. Und das Europaparlament? Seine Vertreter werden an Vorbereitungssitzungen beteiligt sein, weiters wollen die Staats- und Regierungschefs das Parlament „vor und nach jeder Tagung [. . .] unterrichten und einen Gedankenaustausch führen“.

Das Europaparlament hat den liberalen Fraktionsvorsitzenden, Guy Verhofstadt, zu seinem Brexit-Beauftragten ernannt. Der scheidende Parlamentspräsident, Martin Schulz, zeigte sich über die Statistenrolle bereits im Vorfeld des Gipfels wenig erfreut: In einem an Tusk adressierten Brief erinnerte Schulz daran, dass das EU-Parlament einen Brexit-Deal ratifizieren müsse. (la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Die schottische Regierungschefin, Nicola Sturgeon, will ein Modell wie Norwegen.
Europa

Brexit: Schottland erhöht Druck auf May

Edinburgh will von der Forderung nach einer weiteren Teilnahme am EU-Binnenmarkt nicht abgehen – selbst wenn das einen Sonderstatus bedeuten würde.
Britain's Prime Minister Theresa May leaves a EU Summit in Brussels
Europa

Großbritannien/EU: Ein kurzer, steiniger Weg in die Einsamkeit

London möchte in nur 18 Monaten den Abschied von der EU verhandeln. Einen Plan dafür hat die Regierung unter Theresa May aber noch immer nicht.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.