Börse-Chef Boschan kritisiert "Regulierungs-Tsunami"

Börse-Chef Christoph Boschan
Börse-Chef Christoph BoschanAPA/HANS KLAUS TECHT
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Der Chef der Wiener Börse spricht sich dafür aus, die Kapitalertragssteuer für Privatanleger abzuschaffen, damit auch breite Bevölkerungskreise an den "Überrenditen" teilhaben können.

Der seit 1. September im Amt befindliche neue Chef der Wiener Börse, Christoph Boschan, will den Handelsteilnehmern der Wiener Börse das regulatorische Leben erleichtern. "Unsere Handelsteilnehmer unterliegen ja einem gigantischen Regulierungs-Tsunami, der uns aus der EU erreicht", sagte Boschan im APA-Gespräch.

Geplant ist dazu das bestehende Reporting-Portfolio um ein MiFID II-konformes IT-Reporting-Service mit der Bezeichnung Approved Publication Arrangement (APA) auszubauen. Dabei handle es sich um eine Meldeplattform für die Darstellung von außerbörslichen Handelsumsätzen, für die neue Transparenzvorschriften in Kraft treten.

"Das Angebot der Wiener Börse an konkreten Produkten soll deutlich größer werden", kündigte Boschan an. So wolle sich die Wiener Börse verstärkt um weitere Bond-Listings bemühen. Geplant seien eine Reihe von Initiativen für österreichische Emittenten und Anleger. Es werde dabei um ganz konkrete Produkte gehen. Derzeit sei man noch Mitten im Strategieprozess, den er mit seinem Eintritt Anfang September gestartet habe, sagte Boschan.

"Wir wollen auf jeden Fall die gute Servicequalität erhalten, die Wiener Börse steht in einem heftigen Wettbewerb", nennt Boschan ein weiteres ihm wichtiges Anliegen. Die Wiener Börse sei nicht die einzige Plattform, auf der österreichische Aktien gehandelt werden könnten. Mit einem Anteil von drei Viertel an den Handelsumsätzen aller börsenotierten österreichischen Unternehmen sei man allerdings Marktführer. Die Wiener Börse habe diesbezüglich eine außerordentlich gute Position. Die Emittenten hätten hier die größte Sichtbarkeit, größte Liquidität und würden auf das günstigste Gesamtpaket stoßen. "Das gleiche gilt für Anleger. Sie müssen die schnellste, günstigste, sicherste Ausführung haben", so Boschan. "Daran werde wir weiter arbeiten, die Wettbewerbsposition sicher zu stellen und das Angebot für Anleger und Emittenten auszubauen".

Boschan sprach sich erneut dafür aus, die Kapitalertragssteuer (KESt) für Privatanleger abzuschaffen, damit auch breite Bevölkerungskreise an den "Überrenditen" teilhaben können, die langfristig auf den Aktienmärkten erzielt werden. So habe in den letzten 25 Jahren die Durchschnittsrendite der ATX-Werte 6 Prozent betragen. "Es ist eine Umverteilungsfrage auch", so Boschan. Darüber habe er auch schon mit Finanzminister und Bundeskanzler gesprochen. "Ich bin offen für alle anderen Vorschläge, nur irgendwas muss passieren".

Boschan führt zwei Gründe für die Steuerbefreiung ins Treffen: Einerseits investieren Privatanleger aus bereits versteuertem Arbeitseinkommen und müssen Konsumverzicht üben, außerdem würde es ihren Bewegungsspielraum bei Altersvorsorge und Vermögensaufbau erhöhen. Diesen Bewegungsspielraum müsse man ihnen politisch verschaffen. Privatanleger müssten sich aber klar sein, dass ein Aktieninvestition die Übernahme von geschäftlichen Risikos bedeute.

Generell stehe Österreich vor dem Problem, eine vergleichsweise sehr geringe Marktkapitalisation aufzuweisen. In Österreich seien dies 25 bis 30 Prozent des BIP, im EU-Schnitt zwischen 50 und 60 Prozent. Alle Studien würden aber zeigen, dass Länder mit entwickelten Kapitalmärkten das schnellere, nachhaltigere und größere Wachstum hätten und sich leichter von Krisen erholten.

"Deshalb halten wir einen entwickelten Kapitalmarkt für essenziell für die Entwicklung der Volkswirtschaft, für Wachstum und Beschäftigung", so der Börsen-Chef. Gemeinsam mit der Politik sollten hier Anstrengungen unternommen werden. Da gehörten auch steuerliche Vorschläge dazu. "Aber es gehört vor allem das politische Leitbild der börsenotierten Unternehmung dazu. Ich fürchte, das ist etwas abhanden gekommen", so Boschan. Zudem sollte es ein bejahendes Klima im Land geben. Dazu brauche es politische Unterstützung. "Und die würde ich mir wünschen", so Boschan. Er spüre zwar viel politisches Wohlwollen, aber es gehe natürlich nicht nur um Gespräche, sondern um Umsetzung. "Wir stehen da als Partner sicher zur Verfügung", sagte Boschan.

(APA)

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