Ein Meister der leisen Töne und des ungebremsten Ausdrucks

CELLIST UND DIRIGENT HEINRICH SCHIFF STARB IM ALTER VON 65 JAHREN
CELLIST UND DIRIGENT HEINRICH SCHIFF STARB IM ALTER VON 65 JAHREN(c) APA/KS SCHOERKE/BASTA (BASTA)
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Der österreichische Cellist Heinrich Schiff ist 65-jährig gestorben.

Wenn er spielte, schien er ganz und gar aufzugehen in den Klängen, die er seinem Cello entlockte, hier lyrisch verhalten, ganz nach innen lotend, da forsch, kraftvoll zupackend und Phrasen wie Klanggarben nach außen schleudernd; Bachs Suiten von Heinrich Schiff gespielt gehört haben zu dürfen, das gehört zu den Geschenken, die das Leben einem Musikkritiker macht. Denn Überraschungen lauerten bei ihm auch in wohlbekannter Musik.

Kategorisierungen kannte er nicht, wollte er nicht kennen. Gute Musik fand er nicht nur bei den Klassikern und Romantikern, er setzte sich für die Musik seiner Zeitgenossen ein, bekam von diesen dafür zum Lohn einige aparte neue Kompositionen, die er als Widmungsträger an den wichtigsten Orten der internationalen Musikwelt zur Uraufführung brachte. Ganz zuletzt war es noch eine Novität von Johannes Maria Staud, ehe sich Schiff krankheitshalber zurückziehen musste.

Das Unterrichten machte man ihm noch möglich, obwohl er in den vergangenen Monaten nicht mehr außer Haus gehen konnte. Den Schülern, die ihn adorierten, wies er in seiner durchaus oft aufbrausenden, in der Sache aber immer korrekten Art den Weg zur einzig künstlerischen Wahrheit, die da heißt: das Äußerste zu wagen.

Auftritte waren ihm, der über Jahre hin auch versuchte, als Dirigent Fuß zu fassen, nicht mehr möglich. Er bleibt uns im Gedächtnis als einer, der es nicht zuließ, dass man Romantiker verzärtelte. Man höre seine Aufnahme des Schumann-Konzertes unter Haitink – da gibt es neben wahrhaft romantischen Phrasen auch messerscharf artikulierte, krasse Schnitte und Gesten.

Ebenso verwahrte sich Schiff gegen Doktrinen in der sogenannten Neuen Musik. Da konnte er als gesuchter Interpret Vorbildhaftes leisten, indem er spielte, was er für gut befand, dies reichte von Avantgarde bis hin zur Einbindung von Volksmusik seiner Heimat, des Salzkammerguts. Die Uraufführung des Cellokonzertes von Friedrich Gulda wird niemand vergessen, der sie erleben durfte: Da wurden Grenzen gesprengt.

Heinrich Schiff ist in der Nacht auf Freitag 65-jährig gestorben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2016)

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