Wie viele Chancen Donald Trump wohl noch brauchen wird?

Donald John Trump
Donald John TrumpReuters (SHANNON STAPLETON)
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Angeblich will der künftige US-Präsident sein Land ja von der Welt abmelden und in den Isolationismus führen. Die Welt wird ihn aber nicht lassen.

Wenn am 20. Jänner Donald John Trump vor dem Kapitol in Washington den Amtseid als 45. Präsident der USA ablegen wird, dürfte das trotz der Vorhersehbarkeit des Ereignisses für manche seiner Gegner und Kritiker noch einmal ein Schock sein. Nein, es war kein Albtraum, ja, ein Macho mit rassistischen Sprüchen und notorischer Neigung zu einem simplifizierenden Weltbild wird ab diesem Tag der mächtigste Mann der Welt sein. Im Namen des (US-amerikanischen) Volkes: vier Jahre.

Aber genauso, wie sich diese Welt daran gewöhnen wird, dass Trump nicht so einfach verschwindet, wird sich Trump daran gewöhnen, dass die Welt nicht so einfach verschwindet. Viel ist über einen isolationistischen Kurs spekuliert worden, den „The Donald“ einschlagen werde. Eine Steigerung von Barack Obamas Grundeinstellung also, die ein US-Kommentator einmal auf die Formel brachte: „Care more about middle class than middle east.“ Gesetzt den Fall, Trump wäre wirklich jener Hardcore-Isolationist (seine Äußerungen der vergangenen Wochen, den unheilbaren Twitter-Katarrh eingerechnet, legen dies aber gerade nicht zwingend nahe): Er würde wohl kaum in die Lage kommen, danach zu handeln. Die Welt wird ihn nämlich nicht lassen.

Da ist zunächst Russland. Trump hatte ein sichtliches Vergnügen, im Wahlkampf und danach den Putin-Buddy zu geben, und nahm in der Hacking-Affäre Moskau sogar gegen die Erkenntnisse der eigenen Geheimdienste in Schutz (deren Briefings er gern schwänzt). Und mit der Nominierung des Ölmanagers und tatsächlichen Putin-Freundes Rex Tillerson zum Außenminister hat Trump auch ein deutliches Appeasement-Signal Richtung Moskau gesetzt. Obama hat ihn nun freilich mit den harten Sanktionen, die er wegen der Hackerangriffe während des US-Präsidentschaftswahlkampfs verhängte, in ein Dilemma manövriert: Hebt Trump sie nicht auf, gibt er implizit zu, dass sich Moskau ja doch eingemischt hat. Hebt er sie auf, zieht er den Vorwurf auf sich, das eigene Interesse über das des Staates zu stellen.

Doch hat der künftige US-Präsident seine Haltung zu Russland und Putin überhaupt schon festgelegt? Nein, meint Ex-US-Außenminister Henry Kissinger. Er sieht in Trumps freundlichen Worten auf Putins freundliche Worte nur Taktik. Der Machtmensch Putin dürfte es kaum erwarten können, den Machtmenschen Trump zu testen. Er wird es vermutlich bald tun, und der neue Mann im Weißen Haus wird Farbe bekennen müssen.

Auch in Peking wird man eher früher als später wissen wollen, wie die Relation zwischen Trumps Worten und seinen Taten ist. Das Kräftemessen mit China ist vielleicht die noch heiklere Problemzone, da beim roten Riesen hinter der politischen und militärischen auch eine enorme, global ausgreifende Wirtschaftsmacht steht. Dass die USA einen Handelskrieg mit China, der sich bereits abzeichnet, gewinnen würden, ist keineswegs ausgemacht. Börsenguru Marc Faber etwa gibt den USA hier keine guten Karten. In Sachen China hat Trump sogar schon Taten gesetzt, indem er sich von Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen in ein Telefonat theatern hat lassen. Sicherheitshalber hat er verbal nachgesetzt und gleich die ganze Ein-China-Politik in Frage gestellt, die tragende Säule des Verhältnisses der beiden Staaten.

Mit dem Stabwechsel im Weißen Haus geraten jahrzehntelang festgefügte Positionen ins Wanken. Das zeigt sich gerade im Nahostkonflikt: Trump schwadroniert nicht nur von einer Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem, dessen Ostteil international als besetzt gilt, er schickt auch gleich einen Botschafter, der aktiv israelische Siedler im Westjordanland finanziell unterstützt.

Man müsse Trump doch eine Chance geben, hatte es kurz nach dessen Sieg allenthalben getönt. Ja, was denn sonst? Es hat ihn übrigens niemand gehindert, sie bereits zu ergreifen. Aber allein das, was er seit seinem Wahlsieg gesagt hat, lässt ahnen, dass ein Präsident Trump noch viele Chancen brauchen wird. Und man muss inständig hoffen, dass er eine dann doch noch nützt und zumindest ein passabler Präsident wird, der nicht ganz auf die internationale Ordnung pfeift. Denn instabil ist die Welt auch ohne Trump schon genug.

E-Mails an:helmar.dumbs@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.01.2017)

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