Die EU-Parteienfamilien beschädigen sich selbst.
Regierungsumbildung.“ So wurde die Anhörung des nun auch für Haushaltsfragen zuständigen Kommissars Günther Oettinger im Europaparlament am vergangenen Montag in der Presseaussendung einer Parlamentsfraktion tituliert. Hinter dieser Wortwahl steht die Vorstellung, wonach die Brüsseler Behörde die Exekutive der Union ist, die von einem schlagkräftigen und selbstbewussten Europaparlament politisch gelenkt und von der Luxemburger Jurisdiktion beaufsichtigt wird.
Diese Trias aus Kommission, Europaparlament und EuGH ist demnach die ideale Architektur eines gemeinsamen Hauses Europa. Für nationale Regierungen als Vertreter einer längst überwundenen Ära ist in diesem Prunkbau ein Platz in der Besenkammer vorgesehen.
Das Problem ist nur, dass sich die Wirklichkeit nicht an dieses Szenario halten will. Die Vorstellung, dass die Regierungschefs der EU auf Zurufe aus dem Straßburger Plenum hören, erscheint im Zeitalter von Terrorismus, Massenmigration, Donald Trump und Wladimir Putin weltfremd. Noch dazu macht das Parlament momentan keine Bella Figura. Das surreale Speeddating zwischen dem EU-Föderalisten Guy Verhofstadt und dem rabiatpopulistischen Elitenschreck Beppe Grillo ist Wasser auf die Mühlen jener, die davon reden, dass die europäischen Parteienfamilien wirklichkeitsfremde Konstrukte sind und mit der real existierenden Politik wenig bis gar nichts zu tun haben. Wenn Begriffe wie „liberal“ leere Worthülsen sind, die mit populistischem Inhalt befüllt werden können, ist Feuer am Dach des Hohen Hauses.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2017)