Nehmen wir zu viele Medikamente?

(c) Clemens Fabry
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Die Österreicher geben jährlich 443 Euro für Medikamente aus. Auf Platz eins liegt Deutschland. Am niedrigsten sind die Pro-Kopf-Ausgaben in Dänemark.

Wien. Die Industriestaatenorganisation OECD hat für ihre aktuelle „Statistik des Tages“ die Pro-Kopf-Ausgaben für Medikamente unter die Lupe genommen. Demnach gibt jeder Österreicher durchschnittlich 443 Euro für Arzneimittel aus. Dabei handelt es sich um pharmazeutische Erzeugnisse, die ambulant (beispielsweise über Apotheken oder ärztliche Hausapotheken) abgegeben werden.

In dem Betrag sind sowohl öffentliche und private Ausgaben wie Rezeptgebühren enthalten. Medikamente, die während eines Spitalaufenthalts verabreicht werden, kommen in dieser Statistik nicht vor. Zwischen den einzelnen Ländern herrschen teilweise massive Unterschiede. Auf Platz eins liegt Deutschland mit Pro-Kopf-Ausgaben von 551 Euro, gefolgt von Irland (523 Euro) und Griechenland (468 Euro). Österreich landet mit 433 Euro auf Platz sechs.

Als EU-Durchschnitt werden 402 Euro ausgewiesen. Bemerkenswert ist, dass die Pro-Kopf-Ausgaben in den skandinavischen Ländern gering sind. Am niedrigsten sind sie in Dänemark (201 Euro), obwohl die Dänen über ein gutes Gesundheitssystem verfügen.

Auch die Schweden (336 Euro) und Finnen (342 Euro) geben weniger Geld für Arzneimittel aus als der EU-Durchschnitt.

Anderes Erstattungswesen

Wie lassen sich diese Unterschiede erklären? Bei der Pharmig, dem Interessenverband der österreichischen Pharmaindustrie, heißt es dazu, dass sich generell Systeme wie das österreichische und das dänische schwer vergleichen lassen, da in Dänemark die Finanzierung des Gesundheitssystems und das Erstattungswesen ganz anders seien. In Dänemark werde ein viel geringerer Anteil der Arzneimittelausgaben (nur 44 Prozent) von der öffentlichen Hand getragen als in Österreich (68 Prozent). „Dänemark ist hier sehr restriktiv“, so ein Pharmig-Sprecher. Private müssen dort viel häufiger Arzneimittel selbst bezahlen, als dies in Österreich der Fall ist.

Auch Gesundheitsökonom Ernest Pichlbauer tut sich schwer, die Statistik zu interpretieren, weil in den Pro-Kopf-Ausgaben nicht die Medikamente, die in Spitälern ausgegeben werden, enthalten sind.

Dennoch lassen sich aus der Statistik einige Trends ablesen: Dass Deutschland in der OECD-Statistik wieder an der Spitze liegt, ist keine Überraschung. Bereits in der Vergangenheit hat die OECD kritisiert, dass die Deutschen verhältnismäßig viele Medikamente einnehmen. So sei der Verbrauch von blutdrucksenkenden Mitteln beispielsweise höher als in anderen Ländern. Auch Antidiabetika werden in Deutschland wesentlich häufiger verschrieben als im OECD-Schnitt. Ähnlich verhält es sich mit Antidepressiva.

Deutschland hat zuletzt einiges unternommen, um die Kosten für Medikamente zu senken – so ist der Anteil der Generika deutlich gestiegen. Generika sind Nachahmerprodukte von Originalprodukten, deren Patent abgelaufen ist.

Hier besteht nach Ansicht von Experten in Österreich Handlungsbedarf. Einer früheren Studie des Generikaverbands zufolge könnten im österreichischen Gesundheitssystem relativ einfach 256 Mio. Euro pro Jahr eingespart werden, wenn Ärzte vermehrt Generika statt Originalmedikamente verschreiben würden.

Die Ausgaben für Medikamente steigen auch deswegen, weil die Menschen immer älter werden. Laut Statistik Austria haben sich die Pro-Kopf-Ausgaben von 411,12 Euro im Jahr 2011 auf 450 Euro im Jahr 2014 erhöht. Sie sind damit ähnlich hoch, wie in der OECD-Statistik angegeben. Die Zahlen für 2015 und 2016 liegen noch nicht vor. Die heimischen Pharmafirmen betonen, dass in Österreich die Versorgung mit Medikamenten grundsätzlich exzellent sei, weil „ein großer Teil der Arzneimittelausgaben über die Sozialversicherungen getragen wird und weil wir hier, vor allem in der Onkologie, innovative Arzneimittel rasch am Markt verfügbar haben“.

AUF EINEN BLICK

Bei den Pro-Kopf-Ausgaben für Medikamente gibt es innerhalb der OECD deutliche Unterschiede. Auf Platz eins liegt Deutschland. Denn die Deutschen nehmen verhältnismäßig viele Medikamente ein. Österreich liegt mit Pro-Kopf-Ausgaben von 443 Euro auf Platz sechs. Einer früheren Studie zufolge könnte in Österreich viel Geld eingespart werden, wenn Ärzte vermehrt Generika statt Originalmedikamente verschreiben würden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2017)

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