„Wandelanleihen verlieren beim Zinsanstieg weniger an Wert als normale Anleihen“

Zinsen in Europa
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Angesichts bevorstehender US-Zinserhöhungen und zunehmender Schwankungen bei den Aktienkursen bieten Wandelanleihen einen interessanten Mittelweg, meint Nicolas Delrue von der Union Bancaire Privée. Grund ist eine Reihe von Besonderheiten bei diesen Wertpapieren.

Die Presse: Herr Delrue, angesichts der steigenden Schwankungen wagen sich einige Anleger kaum noch in Aktien, während Anleihen eine mickrig verzinste Alternative bieten. Sind Wandelanleihen die goldene Mitte?

Nicolas Delrue: Tatsächlich sind Wandelanleihen wie ein Zwitterwesen. Denn sie können vom Anleger während der Laufzeit jederzeit in die Aktien des emittierenden Unternehmens gewandelt werden. Bereits am Tag der Emission wird dabei festgelegt, wie viel Stück Aktien man pro Wandelanleihe erhält. Die investierte Gesamtsumme beim Kauf der Anleihe ist damit also quasi auch jene Summe, die ein Anleger für das Aktienpaket bezahlt, falls er wandelt. Interessant wird es, wenn der Aktienkurs steigt. Dann würde bei einem Direktkauf an der Börse die gleiche Gesamtzahl an Aktien mehr kosten. Ein Umtausch der Wandelanleihe in das Aktienpaket würde sich also folglich lohnen, und man könnte es an der Börse mit Gewinn weiterverkaufen.

Allerdings sind Wandelanleihen mit einem geringeren Kupon ausgestattet im Vergleich zu normalen Anleihen.

Dafür hat man aber das Wandlungsrecht. Das ist im Übrigen auch der Grund dafür, dass die Kurse von Wandelanleihen, grob gesagt, Zwei Drittel des Anstiegs der zugrunde liegenden Aktie mitmachen, aber nur rund ein Drittel der Kursverluste erleiden. Sinkt nämlich der Aktienkurs sehr stark, verliert zwar auch das Wandlungsrecht an Wert. Der Anleger kassiert aber immer noch den jährlichen Zinskupon und erhält zu Laufzeitende das Nominale zurück, falls er nicht wandelt. Wir sehen derzeit aber die weitere Kursentwicklung durchaus positiv, da wir auch mit einem weiteren Anstieg bei den Aktien rechnen.

Was stimmt Sie denn so positiv?

Gerade in den USA ist die Hoffnung groß, dass die Wirtschaft unter Donald Trump kräftig angekurbelt wird, teilweise freilich auch aufgrund steigender Staatsausgaben. Deshalb sehen wir vor allem auf dem US-Aktienmarkt noch reichlich Potenzial. Auch halten wir den Markt nicht für besonders teuer, zumal die Renditen bei den Anleihen immer noch sehr niedrig sind, somit kaum eine Alternative bieten.

Allerdings dürfte die US-Notenbank die Zinsen weiter anheben. Darunter würden sämtliche bestehenden, schlechter verzinsten Anleihen leiden, sie wären dann weniger attraktiv.

Die Kurse von Wandelanleihen verlieren aber bei einem Anstieg des allgemeinen Zinsniveaus weit weniger an Wert als normale Anleihen, da das Wandlungsrecht auch einen Wert hat. Und der steigt sogar an, wenn die Zinsen nach oben klettern, denn Zinsen sind ein Teil der etwas komplexen Formel zur Berechnung des Wandlungsrechts.

Wie kann man sich den globalen Markt insgesamt vorstellen?

Er ist mit einem Gesamtvolumen von rund 400 Milliarden Dollar verhältnismäßig klein. In Europa gibt es eine größere Anzahl an Wandelanleihen, die derzeit etwas günstiger sind. Das heißt, die Aktienkurse notieren nicht allzu weit über dem Wandlungskurs der Anleihe. In den USA sind die Aktienkurse vergleichsweise schon ein gutes Stück höher. Somit verhalten sich US-Wandelanleihen eher wie eine Aktie, deren Kurse legen also rascher bei einer weiteren Marktrallye zu. Dafür sind aber auch die Kursschwankungen größer als bei europäischen Pendants.

Angesichts der zahlreichen Einflussfaktoren stellt sich wohl auch die Frage, mit welchen Renditen Anleger denn rechnen können?

Allein seit Ende 2005 legte der globale Index für Wandelanleihen um jährlich 3,4 Prozent zu, und das bei Schwankungen von rund sieben Prozent pro Jahr. Mit einem globalen Aktienindex hätte man in diesem Zeitraum kaum mehr verdient, die Kursschwankungen waren im Schnitt aber dreimal so hoch. Das liegt zum Teil daran, dass sich in schlechten Börsenphasen die Kursverluste bei Wandelanleihen weit mehr in Grenzen halten als bei Aktien.

Weshalb begibt ein Unternehmen nicht gleich direkt Aktien? Wozu wird dieser Umweg genommen?

Ein Börsengang ist weit kostspieliger und braucht eine wesentlich längere Vorlaufzeit. Das wird in der Regel von einem Heer an Investmentbankern vorbereitet. Anleiheemissionen sind grundsätzlich einfacher zu handhaben. Zudem können sie auch zu weit geringeren Volumina durchgezogen werden. Zugleich bietet es Unternehmen die Chance, ihre Finanzierungsstruktur ein wenig zu diversifizieren. Solange noch nicht gewandelt wurde, zählen die Papiere schließlich in der Bilanz zu Fremdkapital.

ZUR PERSON

Nicolas Delrue ist Head of Investment Specialists bei der französischen Union Bancaire Privée, wo er zugleich auch der leitende Investmentspezialist für Wandelanleihen ist. Zuvor war Nicolas Delrue bei Fortis ebenfalls als Investmentspezialist für diese Anlageklasse tätig. Weitere Stationen umfassten Société Générale Asset Management im Hedgefonds-Segment sowie die Caisse des Dépots et Consignations. Hier arbeitete der studierte Wirtschaftsjurist (Essec Business School Paris) im Anleihebereich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2017)

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