Thielemanns Dresdner Wagner-Festival

Christian Thielemann.
Christian Thielemann.(c) APA/Neumayr/MMV
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Die Wiederaufnahme des „Siegfried“ wurde zum musikalischen Triumph.

Stephen Gould ist ein Wagner-Held, der sich in dem Moment wohlzufühlen beginnt, in dem bei den meisten Tenorkollegen die Anstrengung nicht mehr zu überhören ist. Die vokale Nonchalance dieses Jung-Siegfrieds harmoniert mit seiner Rollenauffassung: Er teilt lieber einmal zu viel als zu wenig aus. Nur eine kann den Kraftprotz zähmen: Nina Stemme bringt Brünnhildes dramatische Spitzentöne dank ihres herrlich leichten, doch dunklen Timbres geradezu explosiv zur Geltung.

Nichts von der oft monierten „Ungerechtigkeit“ des Schlussduetts; der Held hat schon über drei Stunden lang die Stimmbänder beansprucht und erweckt eine ausgeruhte Hochdramatische aus dem Schlaf. Dank des glänzend disponierten Gould war diesmal von einem Missverhältnis keine Rede. Dabei hatte Gerhard Siegels Mime dem Ziehsohn das Leben nicht leicht gemacht. Meist unterwürfig, stets hinterhältig, hie und da hämisch träumt der Nibelung davon, den ungeliebten Wälsungenspross aus dem Weg zu räumen. Seine Vision von der Weltherrschaft klingt dann beinah heldentenoral – Siegel demonstriert wie in einem Lehrbeispiel die Bandbreite dieses Charakters.

Mehr Göttervater als Giftzwerg

Wie schon im Dresdner „Rheingold“ gab mit Albert Dohmen ein geeichter Wotan-Interpret den Alberich, auch von der Gestalt her mehr Göttervater als Giftzwerg, trotzte er dem eher lyrischen, von den emotionellen Ausbrüchen beinah überforderten Wanderer Markus Marquarts mit ungewohnt dunklem Timbre.

Von Regisseur Willy Decker in den Bühnenhintergrund verbannt, blieb Marquart in der schicksalhaften Begegnung mit Erda (umjubelt: Christa Mayer) akustisch nur zu erahnen, obwohl Christian Thielemann das Orchester bis zum Möglichsten zurückhielt. Georg Zeppenfelds sonorer Fafner hingegen starb so ergreifend, dass sein Tod nicht nur Siegfried berührte. Tuuli Takalas tadelloser Waldvogel komplettierte das Ensemble, dem die Staatskapelle mit ihrem Chefdirigenten wieder einmal die Show stahl. Auch Thielemanns „Siegfried“-Interpretation wirkt gegenüber 2011 in Wien nachgeschärft. Entschleunigung bei der Herausarbeitung der Leitmotive und Beschleunigung bei den symphonischen Übergängen bringen zusätzliche Spannungssteigerungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2017)

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