Neuwahlen: SPÖ stellt Ultimatum

Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner.
Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner.(c) APA/ROLAND SCHLAGER
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Bis Freitag will der Bundeskanzler eine Einigung bei wesentlichen Themen des Regierungsprogramms. SPÖ und ÖVP bestreiten aber, dass sie vorgezogene Neuwahlen anstreben.

Die Koalition steht auf der Kippe: Bundeskanzler Christian Kern forderte von der ÖVP bis Freitag Klarheit über die Neufassung des Regierungsprogramms. Man müsse Ergebnisse auf den Tisch legen, sonst brauche es diese Regierung nicht mehr. Grund für die Verstimmung: Die ÖVP habe sich bisher geweigert, auch nur einem Punkt aus dem Plan A des Bundeskanzlers zuzustimmen – und auch selbst kein eigenes Papier vorgelegt, heißt es aus der SPÖ. Ein anderer Grund für die härtere Gangart könnte auch sein, dass die Partei Rückenwind verspürt: Dem Vernehmen nach verfügt die SPÖ über eine interne Umfrage, die sie nach vielen Monaten der FPÖ-Dominanz derzeit bundesweit wieder auf Platz eins sehen soll.

Schon davor hatte die ÖVP dem Kanzler vorgeworfen, Neuwahlen vom Zaun brechen zu wollen. Familienministerin Sophie Karmasin sagte vor dem Ministerrat, der Kanzler stelle „Inszenierung vor die Arbeit“, und bezog sich dabei auf die Kern-Rede in Wels und andere Auftritte des Bundeskanzlers in den vergangenen zwei Wochen. Das sei ein möglicher Indikator dafür, dass die SPÖ Neuwahlen vorbereite. „Neuwahlen liegen ein bisschen in der Luft“, so Karmasin.

Die ÖVP stellte gleich klar: Sie wolle keineswegs Neuwahlen. „Das ist der falsche Weg und würde die Wähler nur in Richtung FPÖ treiben“, sagte Parteichef Reinhold Mitterlehner zur „Presse“. Das Land sei zudem wahlmüde. Aber: „Fakt ist, dass Christian Kern die Inszenierung über die Arbeit stellt.“ Den Vorwurf der SPÖ, die ÖVP lege keine eigenen Konzepte vor, weist der Vizekanzler zurück: „Die liegen sehr wohl auf dem Tisch.“ Die Flexibilisierung der Arbeitszeiten etwa stehe sogar im Regierungsübereinkommen – „wir müssen sie endlich umsetzen“.

Aber auch die SPÖ bestreitet, in Neuwahlen gehen zu wollen. Man solle sich lieber auf die wirklich wichtigen Fragen konzentrieren, nicht Überschriften und Schlagzeilen produzieren, sondern konkrete Lösungen finden, sagte Kern, der sich dafür entgegen seinen Gewohnheiten vor dem Ministerrat selbst den Medien stellte. Später legte Kern mit einem Facebook-Auftritt nochmals nach.

Bis Ende kommender Woche soll das überarbeitete Regierungsprogramm vorliegen – so lautet zumindest der Plan. Bundeskanzler Kern fährt am Wochenende auf Besuch nach Israel und möchte schon vorher Klarheit haben, ob ein Programm zustande kommt. Sein Kanzleramtsminister, Thomas Drozda, hat dagegen seine Israel-Reise schon abgesagt und möchte nonstop mit ÖVP-Staatssekretär Harald Mahrer die Details weiter verhandeln. Eine Regierungsklausur nächste Woche, die ebenfalls im Gespräch war, ist aber schon abgesagt. Worum geht es hier konkret?

1 Nach dem Terror hat das Thema Sicherheit Priorität

Die Verhaftung eines Terrorverdächtigen in Wien hat das Sicherheitsthema in den Mittelpunkt gerückt. Die ÖVP will „Gefährder“ mittels Fußfessel überwachen, die Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen ausbauen und eine Nachfolgeregelung für die vom EuGH gekippte Vorratsdatenspeicherung finden. Die SPÖ ist etwas skeptisch, weil damit Grundrechte eingeschränkt werden, aber nicht prinzipiell ablehnend. Kern sagte am Dienstag, dass es einen verbesserten Schutz für Polizeibeamte geben müsse, und hält eine Überwachung von Syrien-Rückkehrern für möglich. Bei der Vorratsdatenspeicherung will sich die SPÖ am Spruch des EuGH orientieren, der den Zugriff auf Telekom- und Internetdaten nur in Ausnahmefällen für zulässig hält. Und eine weitere Reduzierung des Zuzugs hält auch Kern für notwendig – stellt aber die Frage, warum es ausgerechnet eine Halbierung der Asylanträge sein soll, wie die ÖVP fordert.

2 Entlastung der Wirtschaft mit dem Streitpunkt Steuern

Die Förderung von Start-ups, Senkung der Lohnnebenkosten, Abbau von Bürokratie und Flexibilisierung der Arbeitszeiten: Eigentlich müsste die Volkspartei diesen Punkten aus Kerns Plan A begeistert zustimmen – wären sie nicht mit anderen Punkten verbunden. Etwa mit der Einführung von Erbschafts- und Schenkungssteuern, dem Einstieg in die Wertschöpfungsabgabe oder dem Recht auf Teilzeit für Arbeitnehmer. Gerade in diesen Punkten scheint eine Einigung innerhalb weniger Tage schwierig.

3 Keine Einigung beim Wahlrecht in Sicht

Jahrelang hat die ÖVP ein Mehrheitswahlrecht gefordert, während die SPÖ auf der Bremse stand. Jetzt, nach Kerns Plan A, der für die stärkste Partei automatisch die Position des Bundeskanzlers vorsieht, ist die Situation genau umgekehrt: Die ÖVP will darüber gar nicht mehr reden und nur noch eine kleine Wahlrechtsreform beschließen. Die Begründung: Für eine Verfassungsänderung benötigt die Koalition die Stimmen entweder der FPÖ oder der Grünen. Und da beide Parteien ein Mehrheitswahlrecht bereits dezidiert ausgeschlossen haben, sei es sinnlos, den Plan weiter zu verfolgen.

Eine Einigung könnte es aber bei den von Kern vorgeschlagenen Studienzugangsbeschränkungen geben: Das ist nämlich eine langjährige Forderung der ÖVP.

AUF EINEN BLICK

Koalition. Bis Ende der Woche will Bundeskanzler Christian Kern Klarheit haben über die Neufassung des Regierungsprogramms. Ziel war es bisher, in der kommenden Woche ein überarbeitetes Programm für die restliche Legislaturperiode bis Herbst 2018 vorzulegen. Kern hat dafür in seiner Rede in Wels einen „Plan A“ vorgelegt, auch von der ÖVP gibt es verschiedene Vorschläge, etwa von Innenminister Wolfgang Sobotka, Außenminister Sebastian Kurz und Finanzminister Hans Jörg Schelling. Die Verhandlungen, geleitet von Kanzleramtsminister Thomas Drozda (SPÖ) und Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP), verlaufen aber zäh.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2017)

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