Lenkt der Iran im Atomstreit ein?

Ahmadinejad
Ahmadinejad(c) EPA (PETER FOLEY)
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Ein Kompromiss um Kernbrennstäbe für einen iranischen Forschungsreaktor könnte die Dauerkrise entschärfen - in Wien wird verhandelt. Dass nicht die ranghöchsten Diplomaten angereist sind, verspricht allerdings nichts Gutes.

Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde, IAEA, Mohamed ElBaradei erwartet viel von den Atomgesprächen, die am Montag in Wien begonnen haben. In der „Presse am Sonntag“ sprach er von einem „Türöffner“. Der Friedensnobelpreisträger wirkte optimistisch, fast euphorisch. Der erste Tag sei ein „guter Anfang“ für das „ziemlich konstruktive Treffen“ gewesen.

Worum geht es? Der Iran braucht Uran für einen Forschungsreaktor, den die USA im Jahr 1967 an den Schah geliefert haben. Dieser Reaktor produziert radioaktive Materialien, die in der Krebstherapie, beim Röntgen oder zur Insektenbekämpfung eingesetzt werden. Ein Musterbeispiel für die friedliche Nutzung der Kernenergie.

Am 1. Oktober wurde bei einem Treffen in Genf dieses Thema auf den Tisch gebracht, Teheran signalisierte damals Bereitschaft, zumindest 80 Prozent seines bisher niedrig angereicherten Urans aus der Anreicherungsanlage Natanz (es geht um rund eine Tonne Uran, das 3,5 Prozent des spaltbaren Isotops 235Uran enthält) nach Russland zu schicken, um es dort für den Forschungsreaktor anreichern zu lassen.

ElBaradei erklärte in der „Presse am Sonntag“, dass das Zustandekommen einer Vereinbarung den Atomstreit entschärfen könnte: „Das Nuklearmaterial wäre aus dem Land, also könnte niemand mehr sagen, dass der Iran schon morgen eine Atomwaffe haben könnte. Und das verschafft uns den Raum, in ruhiger Atmosphäre (weiter-) zu verhandeln.“ Niedrig angereicherter Kernbrennstoff benötigt man für die Energieerzeugung, hoch angereichertes Uran für eine Atombombe.

Tatsächlich wäre die Lösung für alle annehmbar: Der Iran würde sein bisher angereichertes Uran nach Russland liefern, Russland würde es zur Weiterverarbeitung nach Frankreich schicken, von wo aus es dann – für die Nutzung im Reaktor bereit – wieder nach Teheran ginge.

Erfolg für Obama?

Alle wären zufrieden: Der Iran hätte wieder Brennstoff für seinen Forschungsreaktor und könnte dieser Lösung ohne Gesichtsverlust zustimmen.Für den Westen wäre der Deal beruhigend: Man wüsste, dass der Iran für einige Zeit nicht mehr über genügend spaltbares Material verfügen würde, um eine Bombe zu bauen.

US-Präsident Barack Obama wäre hocherfreut: Er hat beträchtliches politisches Kapital in eine Verbesserung der Beziehungen zum Iran investiert und braucht herzeigbare Erfolge. Laut einem Bericht des US-Magazins „Time“ hat Obama insgesamt drei Mal höchstpersönlich in die Geheimgespräche um einen Atomkompromiss eingegriffen. Er hat bei seinem Besuch in Moskau direkt bei Präsident Dmitrij Medwedjew dafür geworben, dass Russland diese Lösung unterstützt. Die Reaktion Moskaus war freundlich. Mitte September konnte Obama dann den IAEA-Chef telefonisch darüber informieren, dass die USA einen Ausweg aus dem Atomstreit sehen – den Kompromiss um den Forschungsreaktor.

Dennoch dämpfen alle Seiten die Erwartungen. ElBaradei selbst warnte: Der Kompromiss „könnte sich in nur einer Sekunde in Luft auflösen“. Die Tatsache, dass aus Teheran nicht die ranghöchsten Diplomaten angereist sind sowie die Weigerung der iranischen Seite, direkt mit Frankreich zu verhandeln, verspricht nichts Gutes.

Drohungen aus Teheran

(c) Die Presse / GK

Davor schon, am Montag, hat der Sprecher der iranischen Atomenergieagentur, Ali Shirzadian, eine Drohung nachgelegt. Er sagte zwar gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass es für den Iran „ökonomisch nicht sinnvoll“ sei, das angereicherte Uran weiter zu konzentrieren, drohte aber gleichzeitig mit einer weiteren Anreicherung, „falls die Wiener Gespräche nicht zum gewünschten Ergebnis führen sollten“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2009)

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