Die Suche nach dem perfekten Rennen

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Rechtzeitig zur Biathlon-WM in Hochfilzen gelang Julian Eberhard der Sprung an die Weltspitze. Coach Reinhard Gösweiner erklärt Stärken und Schwächen seiner größten Medaillenhoffnung.

Schnelle Läufer, schwache Schützen: Es ist ein gängiges Klischee über die österreichischen Biathleten. Früher spottete ein Trainer noch über seine „Wilderer, die verhungert wären“. Das Klischee schien längst auch widerlegt, doch bei Julian Eberhard, Österreichs größter Medaillenhoffnung für die Heim-WM in Hochfilzen, trifft es immer noch zu. Wobei schwach zu relativieren ist, wenn man weiß, wie es ist, mit Puls 180 eine zwischen 3,5 und sechs Kilogramm schwere Waffe im Anschlag zu halten und auf eine 50 Meter entfernte, 4,5 cm (liegend) bzw. 11,5 cm (stehend) im Durchmesser große Scheibe zu schießen; geschweige denn, sie zu treffen.

Doch Eberhards Trefferquote von 74 Prozent in diesem Winter ist bestenfalls Durchschnitt. Das Gros seiner Teamkollegen hat Quoten zwischen 80 und 85 Prozent. Frankreichs Ausnahmekönner Martin Fourcade trifft sogar 91 Prozent aller Scheiben. Richtig beeindruckend hingegen sind Eberhards Laufzeiten in der Loipe: In Sprint und Verfolgung ist der Salzburger in diesem Winter schon Bestzeit gelaufen, ein Platz unter den schnellsten fünf eines Bewerbs sind die Regel.


Das viel zitierte Umsetzen. Damit gehört er zu den absoluten Topläufern wie Fourcade oder Johannes Thingnes Boe. Und wenn auch am Schießstand alles zusammenpasst, ist der 30-Jährige kaum noch zu schlagen. Im März des Vorjahres blieb er im Sprint (zehn Kilometer) von Chanty-Mansijsk fehlerfrei und sorgte mit seinem ersten Weltcupsieg für eine faustdicke Überraschung. Anfang Jänner legte er im nebelverhangenen Oberhof nach und sprintete mit nur einem Fehlschuss zum Sieg.

Während Simon Eder sein hohes Niveau der Vorsaison (WM-Einzelmedaille, Fünfter im Gesamtweltcup) nicht halten konnte und auch Dominik Landertinger den Spitzenplätzen noch hinterherläuft, reist Eberhard mit seinem Saisonsieg im Gepäck als Österreichs größte Medaillenhoffnung zur Heim-WM. Rechtzeitig zum WM-Winter gelang beim Saalfeldener die „Trendwende“, wie Reinhard Gösweiner erklärt. Vor knapp drei Jahren kehrte Gösweiner als Biathlon-Cheftrainer zum ÖSV zurück, seither wurde mit Eberhard intensiv am Schießstand gearbeitet. „Er hat sich zu viele Gedanken gemacht, hat teilweise zu viel experimentiert. Aber im Schießen gibt es eine Struktur, die man einhalten muss, um ans Ziel zu kommen. Ich bin da relativ strikt“, sagt der Oberösterreicher. „Es war schwierig, weil wir alte Systeme zerstören und neue einschleifen mussten. Das hat ein paar Jahre gedauert. Jetzt kann man sagen, dass es gelungen ist.“

Im Training zumindest. Dort kann es schon vorkommen, dass Eberhard bei 20 Serien am Schießstand 18 Mal die Null hält, erzählt Gösweiner. „Was man dann im Wettkampf nicht verstehen kann, weil dort die Zahlen ganz andere sind.“ Zum Beispiel in Oberhof. Nur einen Tag nach seinem Sprintsieg musste Eberhard in der Verfolgung (12,5 km) gleich achtmal in die Strafrunde. Der Coach sagt: „Schießen bleibt auf jeden Fall weiter das Hauptaugenmerk im Training.“

Im Sprint ist Eberhard aber auch in Hochfilzen für eine Medaille gut. Dass über die zehn Kilometer nur zwei statt wie in den anderen Disziplinen vier Schießeinlagen zu absolvieren sind, soll seine Leistungen nicht schmälern. Für Biathlon-Altmeister Ole Einar Bjørndalen ist der Sprint gar die Königsdisziplin, schließlich seien die Athleten dort von Start bis Ziel am Limit, nicht nur in der Loipe, sondern auch bei den Schießzeiten.

Meisterstück in dieser Hinsicht war Eberhards Sprintrennen vor zwei Wochen im bayerischen Ruhpolding. „Auf alle Fälle ein perfektes Rennen“, meint Coach Gösweiner. Liegend wie stehend war sein Schützling fehlerfrei geblieben, am Ende nur geschlagen von Martin Fourcade in der Form seines Lebens. Erst zum dritten Mal traf Eberhard in einem Einzelbewerb alle Scheiben. „Unser Problem war immer: Wenn er eine Serie nicht durchschießen konnte, hat es ihn schon geschleudert. In Ruhpolding hat er liegend wie stehend kurz abgesetzt, den Schuss neu aufgebaut, sich trotzdem nicht aus dem Konzept bringen lassen und die Serie mit null abgeschlossen. Das haben wir lange probiert, im Wettkampf ist es zum ersten Mal gelungen“, erzählt Gösweiner. Erschwerend kam hinzu, dass Eberhard zwei Tage zuvor sein Staffelrennen einmal mehr mit einer Strafrunde verpatzt hatte. „Er hat es geschafft, das auszublenden und sich neu zu konzentrieren. Das ist einfach stark.“

(c) APA/dpa/Sven Hoppe (Sven Hoppe)


System abrufen. Seinem Sprintspezialisten traut Gösweiner auch in anderen Disziplinen Topresultate zu. Bei der WM-Generalprobe in Antholz etwa nahm Eberhard den Massenstart (15 km) unmittelbar nach überstandenem Darminfekt in Angriff. Dennoch hat er sich in Südtirol nach je einem Fehler im Liegendschießen und Halbzeitrang 18 mit fehlerlosem Stehendanschlag und starker Schlussrunde noch auf Platz neun vorgekämpft. Gösweiner: „Ich glaube, dass er auch mit vier Schießeinlagen zuschlagen kann. Er muss nur noch etwas Selbstvertrauen tanken, damit er sich nicht so schnell von irgendetwas beirren lässt.“

Steckbrief

Julian Eberhard wird am 9. November 1986 in Saalfelden geboren.

2006 läuft er in Hochfilzen sein erstes Weltcuprennen, 2007 gewinnt er Silber bei der Junioren-EM.

2016 gelingt der Durchbruch, Eberhard gewinnt in Chanty-Mansijsk den Sprint und feiert seinen ersten Weltcupsieg.

WM-Winter
Mit einem Sieg in Oberhof, einem zweiten Platz in Ruhpolding (jeweils im Sprint) und drei weiteren Top-Ten-Plätzen hat sich Eberhard vor der Heim-WM in Hochfilzen (8. bis 19. Februar) als stärkster ÖSV-Biathlet erwiesen.

Familie
Sein älterer Bruder Tobias, 32, ist ebenfalls Biathlet, steht wegen Gesundheitsproblemen aber nicht mehr im ÖSV-Kader.

Heim-WM

Die Biathlon-WM in Hochfilzen (8. bis 19. Februar) ist das Wintersport-Ereignis des Jahres in Österreich. 150.000 Fans werden bei den elf Rennen erwartet, TV-Bilder werden in 26 Ländern ausgestrahlt. Die ÖSV-Skijäger holen sich in der Rosenau den letzten Feinschliff, am Mittwoch wird der WM-Kader bekannt gegeben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2017)

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