Öffentlicher Raum

Ein Ort für Jung und Alt

Leo Lettmayr
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»„Die Menschen, nicht die Häuser, machen die Stadt.“«

Der Hamerlingpark an einem schönen Wintertag. Während Kinder unter den wachsamen Augen von jungen Eltern und fürsorglichen Großeltern am Kinderspielplatz trollen, Jugendliche im Gitterkäfig einen Ball jagen und Hundebetreuer Small Talk treiben, sitzen die anderen Menschen im Park herum. Da die Jugendlichen. Dort die Gruppe junger Schüler am Picknicktisch. Im stillen Eck ein paar Obdachlose in einer Gruppe, während ein anderer trotz der kühlen Luft zwischen den Parkbesuchern auf einer Bank schläft. Woanders sitzt eine ältere Dame, die ihren Einkaufswagen neben sich geparkt hat und die Sonne genießt.

Es ist ein typisches Bild, das es hier zu sehen gibt und ein positives, aber auch eines, das auf ein Problem hinweist. Denn während alle hier einen Platz zu finden scheinen, ist von Begegnung zwischen den Altersgruppen eher nicht zu reden. Man duldet das Andere. Manchmal bestaunt man es. Noch seltener wird interagiert, der Raum gemeinschaftlich genutzt.

Dass die Situation in Wien ist, wie sie ist, ist so in vielerlei Hinsicht ein Erfolg, denn öffentlicher Raum und insbesondere seine Freiräume sollen, nach allgemeiner Expertise und gültigem Leitbild der Stadt Wien, vor allem eines sein: Orte für alle. Räume, in denen alle in einem jeweiligen Gebiet vertretenen Gruppen Zugang finden können und Orte, die deren Bedürfnissen und Nutzungsansprüchen entsprechen. Für Andrea Breitfuss, von der Gebietsbetreuung der Stadt Wien für den 3. und 11. Bezirk, braucht es beides: „Es braucht Orte, die niemandem speziell ‚gehören‘ und es braucht Orte, die klar auf die Bedürfnisse einzelner Nutzergruppen zugeschnitten sind.“

Manche Ansprüche sind nicht vereinbar

Selbst wenn es möglich wäre, Räume für alle unterschiedlichen Nutzungsgruppen bereitzustellen und immer jeweilige Interessen zu befriedigen bzw. die Besetzung durch Einzelinteressen zu tolerieren, so wäre das keine gute Idee. Denn neben dem Anspruch einen Raum für alle zu bieten, erfüllt der öffentliche Raum laut Thomas Madreiter, dem Planungsdirektor der Stadt Wien, auch eine zentrale demokratische Funktion: Der öffentliche Raum ist nicht nur ein Raum, der von allen genutzt werden soll, er ist auch ein Raum, wo „Menschen aufeinander treffen sollen“.

Klimkin | Pixabay

In der Wiener Charta heißt es: „Im öffentlichen Raum muss es Möglichkeiten zum Zeitvertreib, zum Austausch und zum Gespräch geben.“ Während es aber schon eine große Herausforderung ist, Räume zu planen, zu bauen und zu entwickeln, die unterschiedliche und sehr diverse Nutzungsbedürfnisse befriedigen, besteht laut Assoc Prof. Dr. Sabine Knierbein, von der TU Wien, weitgehend Einigkeit, dass soziale Interaktion nicht direkt, oder nur sehr schwer, planerisch herbeigeführt werden kann. Denn Räume, die exklusiv für bestimmte Altersgruppen geschaffen werden, führen auch bei besten Intentionen weitere Barrieren für Begegnung ein und bringen die Gefahr räumlich herbeigeführter sozialer Segregation. Trotzdem besteht wenig Zweifel, dass globale und lokale Entwicklungen Anlass geben, proaktiv zu handeln und im Mindesten in manchen Fällen spezifisch für Altersgruppen zu planen und zu gestalten.

Konkret geht man in Wien aktuell davon aus, dass die Stadt in den kommenden Jahrzehnten jünger und älter zugleich wird. Bei den unter 15-Jährigen geht man von einer Steigerung von bis zu 18 Prozent bis 2044 aus, während die 60- bis 74-Jährigen im selben Zeitraum 26 Prozent zulegen sollen und die über 75-Jährigen gar um 96 Prozent.

Kommunikation mit der jüngeren und älteren Bevölkerung, und die Befriedigung ihrer Interessen, wird vor diesem Hintergrund ohne Zweifel immer wichtiger. Und es wird auch versucht: von Bezirksvorstehungen, den Verantwortliche für Stadtplanung und -entwicklung sowie den Gebietsbetreuungen. Allerdings: Das Halten und Erweitern der Kontakte fällt mitunter schwer - und dsa Einschätzen der Bedürfnisse. Denn, wie Breitfuss sagt, kann man „ja kaum noch sagen, was eine Person mit 65 plus oder 75 plus für Bedürfnisse hat“. Man dürfe, wenn man „älter“ hört, ncht sofort an Gehbehinderung oder eingeschränkte Sicht denken. „Das sind viele in diesem Alter ja noch nicht,“ so Breitfuss.

Die große Diversität der Stadtbevölkerung stellt folglich eine der größten Herausforderungen für Stadtplanung und -entwicklung dar: Längere Grünphasen bei Fußgängerüberquerungen sind etwa im Interesse weniger mobiler Stadtbewohner, nicht jedoch im Interesse der Stadtbewohner, für die Schnelligkeit weniger ein Problem und mehr ein Erfordernis ist. Manche Konflikte sind vorprogrammiert, können aber, wenn ihnen begegnet wird, auch zu Annäherung führen und sind oft schon im Vorfeld vermeidbar. Bürgerbeteiligungsverfahren sind hier ein Hoffnungsträger. 

Leo Lettmayr

„Man muss sehr laufen, um ältere Menschen vor Ort zu erreichen“

Ältere Menschen zu erreichen und zur Teilnahme an Beteiligungsverfahren zu motivieren ist laut Breitfuss oft nicht leicht: „Da muss man schon sehr laufen, um ältere Menschen vor Ort zu erreichen.“ Man versucht es über Seniorenwohnheime, Seniorenclubs und Pfarren - und zwar im Optimalfall mit einem konkreten Anlass. Andernfalls bleibt das Interesse und damit die Partizipation häufig aus. Peter Rippl von der Initiative "Lebenswerter Nordbahnhof" nennt ein zusätzliches Problem: „Wenn es nicht um Protest, sondern um Mitgestaltung geht, dann ist es einfach schwieriger.“

Zivilgesellschaftliche Bemühungen, wie die Initiative "Lebenswerter Nordbahnhof", "Wir sind 12!" oder die "Agendagruppe Begegnung" versuchen folglich, Bewegung und Teilnahme zu erwirken, haben aber auch mit - zum Teil altersbedingten, oftmals aber auch zeitlichen Hürden - zu kämpfen. Dabei wären viele Bedürfnisse der Jüngeren und Älteren gar nicht so unähnlich, insbesondere der Wunsch nach einem bunten, grünen und lebendigen Raum für alle. Einem, wie Frank Placke es ausdrückt, in dem jeder „sein eigenes Ding macht“.

Längenfeldgarten
LängenfeldgartenLeo Lettmayr

Aktionen wie "Urban Gardening", Initiativen zur Verschönerung von Vierteln, gemeinsames Radfahren und Spaziergänge sowie Feste sind vielversprechende Wege, wenn es darum geht mehr Mitglieder aller Generationen zu motivieren, den öffentlichen Raum zu nutzen und am gesellschaftlichen Leben dort teilzuhaben. Noch finden sie aber zu vereinzelt statt und siend häufig breiten Teilen der Bevölkerung einfach nicht bekannt. Doch es sind Lichtblicke.

(Von Leo Lettmayr)

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