Frank-Walter Steinmeier löst Joachim Gauck als Bundespräsident ab – und sorgt sich um die Demokratie.
Berlin. Die beiden Worte, die Frank-Walter Steinmeier sagte, als er von Bundestagspräsident Norbert Lammert gefragt wurde, ob er die Wahl zum Bundespräsidenten annehme, entsprachen ungefähr seinem Gesichtsausdruck: „Gerne sogar.“ Joachim Gauck, der Amtsinhaber, hatte ihm da längst persönlich gratuliert. Und auch Kanzlerin Angela Merkel, die Steinmeier erst unterstützt hatte, als klar war, dass die Union keinen besseren Kandidaten findet, überreichte dem 61-Jährigen einen Strauß Blumen.
Auf der Tribüne saß ein weiterer Bundespräsident, wenn auch einer, der nicht mehr im Dienst ist: Heinz Fischer hatte Steinmeiers Einladung, an der Wahl im Reichstag teilzunehmen, nicht ausgeschlagen. Die beiden soll eine gute politische Freundschaft verbinden. Manche meinen sogar, dass sich diese Freundschaft nicht nur auf das Politische beschränkt.
Heinz Fischer freute sich also mit Frank-Walter Steinmeier, der an diesem Sonntagnachmittag mit stehendem Applaus gewürdigt wurde. Ein Wahlgang hatte ausgereicht. Auf Steinmeier, bis vor Kurzem noch Außenminister, entfielen 931 Stimmen der Bundesversammlung. Mindestens 631 wären notwendig gewesen. Neben der SPD hatten auch die Wahlmänner (jedenfalls ein Großteil) der Unionsparteien, der FDP und der Grünen für den Sozialdemokraten gestimmt.
Die anderen vier Kandidaten waren chancenlos gewesen. Das zweitbeste Ergebnis hatte, mit 128 Stimmen, der Wissenschaftler Christoph Butterwegge, der von den Linken nominiert worden war. Albrecht Glaser (AfD) bekam 42 Stimmen, Alexander Hold (Freie Wähler) 25 und Engelbert Sonneborn (Piratenpartei) zehn.
Vorsichtiger als Joachim Gauck
Vieles spricht dafür, dass Steinmeier am 18. März, wenn er das Amt übernimmt, dort weitermachen wird, wo der Freiheitsmensch Gauck aufgehört hat. In seiner Rede nach der Wahl erzählte Steinmeier von einer tunesischen Aktivistin, die ihm bei einem Staatsbesuch gesagt habe, dass ihr Deutschland Mut mache. Das habe ihn berührt, weil ihm klar geworden sei, dass „unser schwieriges Vaterland für viele Menschen auf der Welt ein Anker der Hoffnung geworden ist“.
Deutschland, so Steinmeier, mache anderen nicht deshalb Mut, weil „alles gut ist in unserem Land“. Sondern weil es in seiner Geschichte gezeigt habe, „dass es besser werden kann“. Jetzt, da die Welt aus den Fugen geraten scheine, brauche Deutschland Mut, um anderen Mut machen zu können: „Wenn das Fundament anderswo zu wackeln beginnt, müssen wir umso fester zu diesem Fundament stehen.“
Als Außenminister hat Steinmeier erfahren, wie sehr Deutschland in der Welt bewundert wird, etwa für seinen Sozialstaat. Diese Außensicht will er seinen Landsleuten näherbringen. Der Fokus soll auf das gerichtet werden, was gelungen ist.
Von Gauck unterscheidet sich Steinmeier dadurch, dass er vorsichtiger formuliert. Heinzfischermäßig, würde man in Österreich sagen. Dass er Donald Trump zuletzt einen Hassprediger nannte, war für seine Verhältnisse fast schon ausfällig. Denn der Tischlersohn aus einer streng protestantischen Familie ist nicht nur berufsbedingt, sondern auch von seiner Persönlichkeitsstruktur her ein Diplomat. Er will das Gespräch nicht abreißen lassen, mit niemandem. Deshalb ist davon auszugehen, dass er den Dialog mit Russland suchen wird – so wie er das im Konflikt um die Ostukraine immer wieder getan hat.
Auch das wäre ein Unterschied zu seinem Vorgänger, der die Gesellschaft von Wladimir Putin gemieden hatte. Steinmeier wurde in dieser Hinsicht nicht nur von Willy Brandts Ostpolitik geprägt, sondern auch von seinem langjährigen Chef, Gerhard Schröder. Der frühere Bundeskanzler hat nach wie vor ein Naheverhältnis zu Putin.
Staatsoberhaupt ohne konkrete Macht
Im Inland ist seine Macht begrenzt. Das Gesetz weist dem Bundespräsidenten vor allem eine repräsentative und eine integrative Rolle zu. Dahinter verbergen sich die Lehren aus der Weimarer Republik. Reichspräsident Paul von Hindenburg hatte Adolf Hitler Ende Jänner 1933 zum Reichskanzler berufen, indem er seine umfassenden Befugnisse ausnützte. Heute wirkt der Bundespräsident nur formell an der Regierungsbildung mit.
DER WAHLMODUS
Die Bundesversammlung ist das größte parlamentarische Gremium Deutschlands. Ihre einzige Aufgabe ist die Wahl des Bundespräsidenten. Sie besteht aus den Mitgliedern des Bundestages und einer gleichen Zahl von Personen, die von den Landtagen entsandt werden. Der Bundestag hat derzeit 630 Mitglieder, weshalb die Bundesversammlung aus 1260 Personen besteht. Die Ländervertreter müssen keine Politiker sein. Regelmäßig werden auch Prominente nominiert. So hat etwa Bundestrainer Joachim Löw für die Grünen mitgestimmt. Die Wahlmännerzahl pro Land wird auf Grundlage der Bevölkerungszahlen festgelegt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2017)