Hat sich Netanjahu zu früh gefreut über die Wahl Donald Trumps?

Israels Premier Netanjahu konnte diesmal entspannt nach Washington fliegen.
Israels Premier Netanjahu konnte diesmal entspannt nach Washington fliegen. (c) REUTERS (Kevin Lamarque)
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Israel sieht dem Besuch von Premier Netanjahu im Weißen Haus mit gedämpften Erwartungen entgegen. Der US-Präsident hatte zuletzt den Siedlungsbau kritisiert.

Jerusalem. Deutlich entspannt reiste Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu in Begleitung seiner Frau Sara nach Washington. Bei seinem Treffen heute, Mittwoch, mit US-Präsident Donald Trump ist eines sicher: Die „Chemie“ zwischen den beiden Männern stimmt. „Ich habe ihn immer gemocht“, sagte der US-Präsident in der regierungsnahen israelischen Tageszeitung Israel Hayom über seinen Gast aus Jerusalem.

Das Interview in dem auflagenstärksten Blatt war jedoch auch ernüchternd für all jene in Israel, die auf eine rasche Umsetzung der Versprechen Trumps hoffen. Über den Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem will er „sehr ernsthaft nachdenken“, vorher aber noch „abwarten, was passiert“. Es sei keine leichte Entscheidung, so meinte Trump gegenüber Israel Hayom, schließlich sei die Botschaft „schon so viele Jahre dort draußen angesiedelt“. Die palästinensische Führung und Jordaniens König Abdullah hatten den geplanten Umzug der US-Diplomaten scharf kritisiert.

Ein Hardliner als US-Botschafter

Auch zum Thema Iran blieb der US-Präsident ausweichend mit „no comment“, und zum Siedlungsbau fand er am Ende gar kritische Worte. Dieser sei „nicht hilfreich für den Prozess“, meinte er. Es stehe nur begrenztes Land zur Verfügung, „und jedes Mal, wenn man etwas wegnimmt für Siedlungen, dann bleibt noch weniger übrig“. Dabei hatte sich Kultur- und Sportministerin Miri Regew (Likud) schon auf grünes Licht vom Weißen Haus für den Siedlungsbau gefreut, schließlich schickt Trump mit David Friedmann einen neuen Botschafter nach Israel, der bekannt ist für seine Nähe zur Siedlerbewegung. Auch Schwiegersohn Jared Kushner, ein orthodoxer Jude, dessen Großeltern den Holocaust überlebten, und dessen Familie zigtausende Dollar an die Siedlerbewegung gespendet haben sollen, spricht für einen deutlich veränderten Ton im Weißen Haus.

„Obama ist passé“, frohlockte Regew, „jetzt haben wir Trump“. Ihre Parteifreunde bremsen. Gilad Erdan, Minister für Öffentliche Sicherheit, vertritt zwar dieselbe Meinung wie Regew, beide lehnen die Gründung eines Staates Palästina offen ab, dennoch werde Netanjahu Trump so kurz nach dessen Amtsübernahme nicht mit einer Kehrtwende überfallen, glaubt Erdan. Offiziell werde Israel der Zweistaatenlösung treubleiben.

Netanjahu steht vor einem Balanceakt. Die Siedlerpartei setzt den Chef der Koalition unter Druck. Jetzt sei die Gelegenheit günstig – so insistiert der nationalreligiöse Bildungsminister Naftali Bennett, Chef der Siedlerpartei „Das jüdische Heim“, ein für allemal Nägel mit Köpfen zu machen. Bennett drängt zur Annektierung der Siedlung Maale Adumim bei Jerusalem, und anschließend weiteren Teilen des Westjordanlandes, was einer Abkehr von der Zweistaatenlösung gleichkäme. Netanjahu mag ideologisch mit Bennett einer Meinung sein, dennoch fürchtet er die internationalen Reaktionen.

Selten scharf hatte das deutsche Bundesaußenamt ein vergangene Woche von der Knesset verabschiedetes Siedlergesetz kommentiert. Man beginne daran zu zweifeln, ob Israel noch der Zweistaatenlösung verpflichtet sei, verlautete aus Berlin. Das Reglementierungsgesetz legalisiert die auf privatem palästinensischen Grundbesitz errichtete Siedlerhäuser retroaktiv. Auch London und Paris verurteilten das Siedlergesetz.

„Ich werde führen und navigieren“, meinte Netanjahu kurz vor seinem Abflug Richtung Washington, damit das „historische Bündnis zwischen den beiden Staaten den Israelis zum Nutzen“ sein werde. Er und Trump betrachteten „die Gefahren und die Möglichkeiten der Region“ ganz ähnlich. Der Iran steht ganz oben auf Netanjahus Agenda, zum einen das ihm verhasste Atomabkommen und zum zweiten Rolle des Iran in Syrien nach dem Krieg.

Ein erstes Abtasten

Überraschende Rückendeckung erhielt Netanjahu von seinem früheren Wahlgegner, dem Oppositionspolitiker Jair Lapid. Der Chef der Zukunftspartei erinnerte daran, dass der neue US-Präsident „noch nicht einmal einen Monat im Amt ist“, und mahnte die Koalitionsmitglieder zur Verantwortung, Netanjahu nicht unter Druck zu setzen. Yoas Hendel, ehemals Medienberater Netanjahus, glaubt nicht, dass bei dem bevorstehenden Treffen etwas herauskommt. „Es wird eine Menge von Bekundungen des guten Willens geben“, schreibt Hendel in Jediot Achronot, „aber nur sehr wenige klare Richtungen“.

AUF EINEN BLICK

An diesem Mittwoch empfängt Donald Trump den israelischen Premier Benjamin Netanjahu im Weißen Haus. Die beiden kennen sich seit den 1980er Jahren. Ein zentrales Thema wird der Nahost-Konflikt sein. Im Wahlkampf zeigte Trump Verständnis für Israels Siedlungspolitik, nun distanzierte er sich wieder von seinen Äußerungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2017)

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