Marzek: Wenn man Produkten ein Gesicht gibt

Die Maschine macht nicht alles: Präzision und ein gutes Auge sind bei der Produktion der „Pickerln“ gefragt.
Die Maschine macht nicht alles: Präzision und ein gutes Auge sind bei der Produktion der „Pickerln“ gefragt.(c) Hedi Schneid
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Zehn Milliarden Etiketten laufen beim niederösterreichischen Familienunternehmen pro Jahr vom Band. Die Hälfte bleibt in Österreich.

Wien. Eine braune, nicht sonderlich attraktive Flüssigkeit in einer unscheinbaren Glasflasche. Würden Sie so etwas kaufen? Kaum. Was aber, wenn auf der Flasche das seit 130 Jahren nahezu unveränderte Logo mit dem weltberühmten Schriftzug aus acht Buchstaben prangt? Dann dürften Sie nicht lang überlegen – schließlich wissen Sie, dass Sie die weltweit bekannteste Limonade kaufen.

Der US-Konzern Coca-Cola ist einer von rund 20.000 Kunden, die die Firma Marzek beliefert. Hier, in Traiskirchen südlich von Wien, dreht sich seit 60 Jahren alles um die „Zettel“, die aus einem No-Name-Produkt einen Markenartikel machen. Ob Getränke, Gewürze, Süßwaren, Kosmetika oder Medikamente: Es gibt praktisch keinen Konsumgüterproduzenten, dessen Produkte nicht mit Etiketten aus dem Hause Marzek bestückt sind. Nicht weniger als zehn Milliarden Einheiten laufen pro Jahr von den Maschinen am Stammsitz Traiskirchen sowie den Werken in Ungarn und der Ukraine.

Wobei es längst nicht mehr nur um die bunten „Pickerln“ geht. Darüber hinaus produziert das Unternehmen, das 2016 mit 650 Mitarbeitern 56 Mio. Euro Umsatz (die Hälfte in Österreich) gemacht hat, auch bedruckte Feinkartonagen etwa für Süßwaren und Medikamente. Das dritte Standbein sind flexible Verpackungen, zum Beispiel für Gewürze, Suppen und Ähnliches. Diese werden in dem zweiten Werk in Ungarn produziert, das im April in Betrieb geht.

20 Mio. Euro investiert Marzek in zwei Jahren in die Expansion und neue Technologien, also gut ein Drittel des Umsatzes. Das Neueste ist eine digitale Laserstanze, die in einem einzigen Produktionsschritt stanzt, perforiert, schneidet und locht, Sicherheitsmarkierungen und Codes anbringt – und natürlich auch beschriftet.
„Auch in einem Massenprodukt wie einem Etikett steckt viel Innovation“, sagt Firmenchef Johannes Michael Wareka. „Wir müssen uns ständig an die Kundenwünsche anpassen.“

Info und Lebensgefühl

Für Wareka ist das Etikett ohnedies das Um und Auf in der Konsumgüterindustrie. „Erst das Etikett verkauft einen Artikel“, sagt er nicht ohne Stolz. Er führt das Familienunternehmen, das sein Urgroßvater Karl Marzek 1879 als Produzent von Stempeln und Petschaften gegründet hat, seit 1993 nunmehr in vierter Generation. Für Wareka ist das Etikett das „Kommunikationsmedium für Konsumgüter schlechthin“: Es trage nicht nur die Marke und enthalte wichtige Produktinformationen, es vermittle über Design und Farbe auch Werte, Einstellungen und Lebensgefühl. Und es erleichtert natürlich die Kaufentscheidung. Wie sonst würden wir aus 20 verschiedenen Joghurt-Bechern im Geschäftsregal gezielt jenen aussuchen können, den wir für uns als den besten erachten?

Ist das Etikett also sogar wichtiger als das Produkt? „Nein“, sagt Wareka lachend, „mit einem Etikett können Sie nur einmal schwindeln.“ Langfristig kämen die Kunden Mogelpackungen auf die Schliche.
„Im Supermarkt entscheidet das Etikett sogar zu hundert Prozent den Kauf eines Weins“, meint Seniorchefin Helga Marzek. Die Tante von Wareka ist seit 60 Jahren im Geschäft und kümmert sich nach wie vor um die Winzer – eine der wichtigsten Kundengruppen. Schließlich tragen rund 70 Prozent aller Bouteillen made in Austria Etiketten von Marzek.
Da sind wahre Kunstwerke darunter – etwa die vom Maler Christian-Ludwig Attersee gestalteten Etiketten für das Weingut Jurtschitsch. Der Fantasie sind generell keine Grenzen gesetzt – das wie ein Heiligtum gehütete Musterbuch enthält rund 100.000 verschiedene Designs. Heutzutage können Etiketten mittels eingebauten QR-Codes „sprechen“ oder Musik spielen. Um neue Ideen umzusetzen, beschäftigt Marzek auch Designer und Grafiker. Am erfolgreichsten sei jedoch die Zusammenarbeit mit Agenturen, die für Kunden ein Gesamtkonzept für Werbung und Marketing erstellen, sagt Wareka.

Innovationen und Spezialanfertigungen werden in Traiskirchen gemacht, während für Massenware die niedrigeren Kosten in Ungarn und der Ukraine genützt werden. Aber es geht nicht nur um Kosten – obwohl an der vielfach geäußerten Kritik zu hoher Unternehmenssteuern und Lohnkosten „schon was dran ist“, wie Marzek betont. Es geht um Wachstumsmärkte und die Nähe zum Kunden. Ungeachtet der aktuellen Krise biete die Ukraine langfristig große Chancen – auch, um Russland zu bearbeiten, sagt Wareka.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2017)

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