Der den Nationalpopulisten nahestehende Präsident Ivanov verweigert den Sozialdemokraten trotz Parlamentsmehrheit die Regierungsbildung. Diese sprechen von „Staatsstreich“.
Belgrad/Skopje. Mazedoniens ranghöchster Parteisoldat mimt den Hüter vaterländischer Interessen. Die Bürger könnten beruhigt sein, versichert der den Nationalpopulisten (VMRO-DMNE) nahestehende Staatschef Djordje Ivanov: „Solang ich Präsident bin, werde ich niemanden den Regierungsauftrag geben, der sich für die Zerstörung der Souveränität und Integrität Mazedoniens einsetzt.“
Selbst eine klare Parlamentsmehrheit scheint in dem krisengeplagten Balkanstaat für einen Machtwechsel nicht genug. Die Unterschriften von 67 der insgesamt 120 Abgeordneten hatte der sozialdemokratische Oppositionschef, Zoran Zaev, in dieser Woche dem Präsidenten als Mehrheitsnachweis für eine von seiner sozialdemokratischen Partei (SDSM) geführten Koalition mit drei Parteien der albanischen Minderheit vorgelegt. Die präsidiale Verweigerung des Regierungsauftrags bezeichnet er empört als „Staatsstreich“.
Mahnung aus Brüssel verhallt
Alle politischen Akteure Mazedoniens – einschließlich des Präsidenten – müssten das Ergebnis der Parlamentswahlen vom Dezember anerkennen, mahnte EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn. Auch die EU-Außenbeauftragte, Federica Mogherini, führte Ivanov in einem Gespräch vor Augen, dass die Union und die Nato auf demokratische Prinzipien pochten. Doch die Ermahnungen aus Brüssel finden bei der langjährigen Regierungspartei des in das Visier der Justiz geratenen Ex-Premiers Nikola Gruevski immer weniger Gehör. Es ist auch die Angst vor Gefängnisstrafen, die die Führung der VMRO-DMNE verbissen um den Machterhalt kämpfen lässt: Erst in dieser Woche kündigte die Sonderstaatsanwaltschaft die Ausweitung der gegen sie laufenden Ermittlungen an.
Enthüllungen über Wahlmanipulationen, Amtsmissbrauch und Korruption: Schon seit zwei Jahren hält ein von der Opposition ans Licht gezerrter Abhörskandal Mazedonien fest im Griff. Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im Dezember hatten die VMRO-DMNE und deren albanischer Juniorpartner, Demokratische Union für Integration (DUI), empfindliche Verluste erlitten.
Zweite Amtssprache Albanisch
Die VMRO konnte sich zwar knapp als stärkste Kraft behaupten, scheiterte jedoch beim Versuch einer Regierungsbildung: Die DUI konnte sich nicht dazu durchringen, erneut mit dem völlig diskreditierten Gruevski ins Boot zu steigen. Mit der DUI und zwei kleineren Albanerparteien könnte Zaev hingegen eine neue Regierung bilden: Im Gegenzug haben die Sozialdemokraten gelobt, Albanisch zur zweiten Amtssprache zu machen. Doch es ist gerade die vereinbarte Zweisprachigkeit, die Präsident Ivanov als Grund seiner Ablehnung der geplanten Koalition anführt – und Gruevski zur Mobilisierung seiner Anhänger gegen den drohenden Machtwechsel nutzt. Er sei sich nicht sicher, ob seine Partei den „Frieden aufrechterhalten“ könne, drohte der Ex-Premier am Wochenende neue Spannungen in dem 2001 am Rand eines Bürgerkriegs taumelnden Vielvölkerstaat an: Es gebe im Land noch Kräfte, die „zur Verteidigung der nationalen Interessen“ bereit seien.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2017)