Atomstreit: Nordkorea macht auch Trump ratlos

Er schafft es, die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf sich zu ziehen: Diktator Kim Jong-un mit Kindern einer Eliteschule.
Er schafft es, die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf sich zu ziehen: Diktator Kim Jong-un mit Kindern einer Eliteschule. (c) APA/AFP/KCNA VIA KNS/STR
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Pjöngjang provoziert mit einem neuen Raketentest – und baut sein Atomprogramm weiter aus. Die internationale Gemeinschaft sucht vergeblich nach Gegenmaßnahmen.

Tokio. Das nordkoreanische Regime provoziert die Weltgemeinschaft erneut – diesmal gleich mit dem Test mehrerer Raketen. Montagmorgen schlugen drei von vier Geschossen innerhalb der japanischen 200-Meilen-Zone ein, die von Tokio als Seewirtschaftszone betrachtet wird. Damit waren die Raketen vermutlich in 260 Kilometern Höhe rund 1000 Kilometer weit geflogen. Premier Shinzō Abe sprach von einer „extrem gefährlichen Tat“ und einer „ernsten Bedrohung unseres Landes“. Auch Südkorea fühlt sich provoziert. In Seoul erklärte Interimspräsident Hwang Kyo Ahn vor dem Nationalen Sicherheitsrat, Nordkorea wolle einmal mehr „weltweite Aufmerksamkeit“ auf sich ziehen.

Sonst herrscht allgemeine Ratlosigkeit. Militärexperten analysieren zurzeit noch, um welchen Raketentyp es sich gehandelt haben könne und wie viele insgesamt abgeschossen wurden. Was bezweckt Diktator Kim Jong-un mit diesem neuerlichen Test? Wen will der Diktator eigentlich treffen, und welchen Anlass hat er sich diesmal für seine Provokation ausgesucht? In Peking tagt der Volkskongress, in Südkorea hat soeben wieder das Megamanöver Foal Eagle mit US-Truppen begonnen, und in Washington kündigte Präsident Donald Trump einen harten Kurs gegenüber Nordkorea an.

Atomwaffen in Südkorea?

Pjöngjang hat zuletzt im Februar mit dem Test einer „Mittelstreckenrakete von größerer Reichweite“ weltweite Empörung ausgelöst. Kim Jong-un sagte anschließend, seine Nation verfüge „über ein weiteres mächtiges Mittel für einen Atomangriff“. Die Drohgebärden zeigen Wirkung: Trump nannte Nordkorea unlängst die größte internationale Bedrohung für die USA.

Aber wie wird Washington auf die anhaltenden Provokationen aus Pjöngjang reagieren? Viele Optionen stehen auch Trump nicht zur Verfügung. Ein genereller Präventivangriff scheidet aus, weil die Folgen wegen der vielfältigen Bündnisverpflichtungen unkontrollierbar würden. Allenfalls könnten die USA erwägen, durch einen gezielten Schlag mit Marschflugkörpern die Testgelände und Abschussrampen der Nordkoreaner zu zerstören. Laut „New York Times“ haben Trumps Sicherheitsberater diese Möglichkeit bereits in Erwägung gezogen.

Eine andere Option der USA wäre, erneut Atomwaffen in Südkorea zu stationieren. Um die Lage zu entspannen, haben die Vereinigten Staaten 1991 ihre nuklearen Sprengköpfe aus dem Süden der koreanischen Halbinsel abgezogen, sind aber weiter mit rund 28.500 Mann Militär dort präsent. Zudem könnte Washington den mit Seoul unlängst vereinbarten Raketenabwehrschirm beschleunigt installieren.

Aber auch das birgt erhebliche Risken und schwer zu kalkulierende Nebenwirkungen. Mit ziemlicher Sicherheit würde sich Peking durch einen solchen massiven Ausbau der US-Militärpräsenz an seiner Grenze herausgefordert fühlen. Die Folge wären ein gefährliches Wettrüsten und eine weitere Eskalation der ohnehin angespannten bilateralen Beziehungen.

Eine andere Idee stammt noch aus der Obama-Ära. Laut „New York Times“ hat das Weiße Haus Cyberangriffe auf das nordkoreanische Raketenprogramm angeordnet. Die Obama-Regierung entschied, Kims Raketen bereits vor dem Teststart anzuvisieren und die Elektronik manipulieren zu lassen. Angeblich sollen diese Attacken in einigen Fällen schon funktioniert haben. Mehrere Raketenstarts seien deswegen missglückt. Experten haben aber an dieser Darstellung erhebliche Zweifel. Für die Fehlversuche könnten ebenso Konstruktionsschwächen oder menschliches Versagen verantwortlich sein.

Wirkungslose Sanktionen

Unterschätzen sollte man das Potenzial Pjöngjangs nicht. Das Regime hat schon bewiesen, dass es trotz seiner internationalen Isolation und der klammen Finanzmittel sein Atomprogramm beharrlich weiterentwickeln kann. Die Sprengkraft nordkoreanischer Nuklearexplosionen nimmt kontinuierlich und besorgniserregend zu. Auch US-Geheimdienste gehen inzwischen davon aus, dass Kims Genossen die technologische Schwelle der Miniaturisierung von Atomsprengsätzen überschritten haben. Fehlt nur noch die entsprechende Trägerrakete. Und jeder Abschuss bringt Nordkorea diesem Ziel ein Stück näher.

Diese Gefahr ist real und höchst brisant. Es gibt eigentlich kein politisches Gegenmittel, um den „Verrückten mit der Bombe“ zu stoppen. Sanktionen sind zwar nötig, um Kim so viele Steine wie möglich in den Weg zu legen. Aber ihr Wirkungspotenzial ist begrenzt. Seit dem ersten Atomwaffentest Nordkoreas im Jahr 2006 hat der UN-Sicherheitsrat insgesamt sechsmal Sanktionen gegen Nordkorea verhängt – ohne erkennbare Wirkung. Zwar soll China jetzt den Kohleimport aus Nordkorea eingestellt haben, was ein schwerer Schlag für die devisenarme Kim-Planwirtschaft wäre. Dass China wirklich ernsthaft Sanktionen zulässt, die das ideologisch verbündete Regime gefährden könnten, ist eine trügerische Hoffnung. Es bleibt nur der Versuch, geduldig und abgeklärt zu verhandeln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2017)

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