Integrationsjahr: Verzögerung droht

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Beim Integrationspaket sehen das AMS und der Verfassungsdienst des Kanzleramtes
viele Unklarheiten. Arbeitstrainings für Asylwerber sollten auf Anfang 2018 verschoben werden.

Die Umsetzung des neuen Integrationsgesetzes für Zuwanderer nach Österreich und für die Integration von Flüchtlingen am Arbeitsmarkt beschert der Regierung bis zum geplanten Beschluss im Ministerrat Ende März noch gehörige Arbeit. Das zeichnet sich nach dem Ende der Begutachtungsfrist der Gesetzesentwürfe von Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) und Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) am Mittwoch ab.

Das Arbeitsmarktservice (AMS) hält das Integrationsjahr mit Arbeitstrainings für Asylwerber erst ab 1. Jänner 2018 statt ab September dieses Jahres für realistisch. Für den Verfassungsdienst des Kanzleramts bergen die Entwürfe viele Fragezeichen, etwa wer die vorgesehene Integrationsvereinbarung tatsächlich abschließt.
Mit dem Integrationspaket wird eine Reihe von Maßnahmen festgeschrieben: ein Integrationsvertrag fixiert die Verpflichtung zu Deutsch- und Wertekursen, anerkannte Flüchtlinge müssen gemeinnützige Arbeit leisten. Bei Verstößen kann die Mindestsicherung gestrichen werden. Weiters ist ein Verbot der Vollverschleierung verankert. Das Arbeitsmarkt-Integrationsgesetz sieht ein Integrationsjahr heuer ab 1. September vor, wobei anerkannte Flüchtlinge, subsidiär Schutzberechtigte, aber auch Asylwerber mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit auch Arbeitstrainings de facto ohne Entlohnung absolvieren müssen.

Zeitplan: Für die Abwicklung des Integrationsjahres ist das Arbeitsmarktservice (AMS) zuständig. Über dieses laufen schon jetzt Betreuung und Förderangebote für Asylberechtigte. Das AMS begrüßt zwar die Gesetzespläne, hat im Zuge der Begutachtung aber massive Einwände gegen den Zeitplan geltend gemacht: nicht bei Asylberechtigten, aber beim Integrationsjahr für Asylwerber, die wahrscheinlich in Österreich bleiben. Für die Dokumentation und IT-technische Abgrenzung zu Asylberechtigen sowie den Datenaustausch mit Innenministerium und Österreichischem Integrationsfonds, über den Kurse laufen, müssten erst Vorkehrungen getroffen werden. Damit droht eine Verzögerung. In der AMS-Stellungnahme heißt es klar: „Das Inkrafttreten für Asylwerber sollte auf 1. 1. 2018 verschoben werden.“

Leistungen: Das ist nicht das einzige Problem, das vom AMS bei der Umsetzung erwartet wird. Asylberechtigte bleiben während des Integrationsjahres in der Mindestsicherung, Asylwerber in der Grundversorgung. Vorgesehen ist auch eine Integrationshilfe als Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhalts. Diese müsste aber angerechnet werden und die Mindestsicherung entsprechend verringern. Deswegen drohe insbesondere mit den Ländern, die für die Mindestsicherung zuständig sind, ein „erheblicher Aufwand“, weil diese stets mit den AMS-Förderungen abgestimmt werden müssten, damit es keine „Doppelversorgung“ gibt. Erschwerend kommt außerdem noch hinzu, dass Verstöße gegen die Teilnahmepflicht und verhängte Sanktionen mittels Leistungskürzungen an die Länder gemeldet und von diesen durchgeführt werden müssten.

Fragezeichen: Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes ortet gravierende Lücken sowie rechtliche Fragezeichen und drängt in seiner umfangreichen Stellungnahme auf zahlreiche Klarstellungen im Entwurf von Kurz zum Integrationsgesetz. Das gilt insbesondere auch für die grundsätzliche Abstimmung mit dem Gesetzesentwurf Stögers zur Arbeitsmarkt-Integration.

Integrationsvertrag: Einer der Hauptkritikpunkte des Verfassungsdienstes ist, dass der Integrationsvertrag weder im Gesetzestext noch in den Erläuterungen näher definiert wird. Daher bleibe unklar, welche Rechtsnatur ein derartiger Vertrage habe soll und wer der Rechtspartner eines solchen Integrationsvertrages mit dem Asylberechtigten sei. Zwar würden die Erläuterungen den Eindruck „erwecken“, dass Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte verpflichtet seien, einen solchen Vertrag abzuschließen. Aus dem Gesetzestext ergebe sich eine solche „Verpflichtung“ freilich nicht.

Vergaberecht: Der Verfassungsdienst macht im Zusammenhang mit der Zuständigkeit des Integrationsfonds für die Kursabwicklung auf einen etwaigen Verstoß gegen das Vergaberecht aufmerksam. Es sei zu prüfen, ob dies die Kriterien einer In-house-Vergabe erfülle und nicht unter die Vergaberichtlinie falle, sonst wäre eine Beauftragung „unzulässig“. Beim Verschleierungsverbot wird eine Definition vermisst. Es geht darum, was mit „öffentlicher Raum“ und „öffentliche Gebäude“ gemeint sei.

Integrationsgesetz

Es schreibt die Verpflichtung zu Deutsch- und Wertekursen sowie für Asylberechtigte zu gemeinnütziger Arbeit vor. Bei Verstößen kann die Mindestsicherung gestrichen werden. In einem Integrationsjahr sollen Asylberechtigte und Asylwerber, die wahrscheinlich in Österreich bleiben, auf den Arbeitsmarkt vorbereitet werden.

(Red.)

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