Albanien wird Wackelkandidat bei Erweiterung

(c) EPA
  • Drucken

Machtspiele und verzögerte Reformen drohen die EU-Ambitionen zu behindern.

Ankara/Wien. Ein Protestzelt vor dem Regierungssitz, Demonstrationen, Boykott der Parlamentsarbeit, Boykott der Wahlkommissionen für die Parlamentswahlen vom 18. Juni. Die albanische Opposition ist im Wahljahr 2017 zur totalen Blockadepolitik zurückgekehrt. Für Lulzim Basha, Chef der konservativen Demokratischen Partei (PD), sind freie Wahlen erst dann sichergestellt, wenn die Regierung zurücktritt und bis zum Urnengang ein Übergangskabinett eingesetzt wird; wenn eine Wahlreform inklusive elektronischer Datenübertragung durchgepeitscht wird.

Die angespannte Stimmung samt gegenseitigen Bezichtigungen von Regierung und Opposition sorgen bereits in Brüssel für Unmut. Prinzipiell ist die EU-Kommission für eine Erweiterung um den Westbalkan. Sie soll die Region weiter stabilisieren, nicht zuletzt angesichts russischer Ambitionen.

Justizreform notwendig

Albanien hat seit 2014 Kandidatenstatus, der Beginn der Beitrittsverhandlungen wurde aber immer wieder verschoben, da das Land die Voraussetzungen dafür nicht erfüllt hat. Im März 2018 will man sich die Sache wieder ansehen, mit Blick vor allem auf Fortschritte bei der Justizreform, der Wahlrechtsreform und den Ablauf der bevorstehenden Wahlen. Doch gerade bei der Justizreform, konkret bei der Einsetzung von Kommissionen zur Überprüfung von Richterkandidaten, und bei der Wahlreform sind die Parteien in eine Sackgasse geraten.

Zwar treten alle großen albanischen Parteien für einen EU-Beitritt ein, doch wenn es um Fragen der eigenen Machtbeschränkung geht, vergessen sie nur zu leicht auf die erforderlichen Gegenleistungen – auch unter einer neuen Generation von Parteichefs, die selbst in Europa lebten und arbeiteten. Erst vor Kurzem besuchte EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini die Region und wurde mehr als eindeutig: Eine Blockade des Reformprozesses bedeute de facto einen Stopp der EU-Integration. (c.g.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.