Fremdsprachen: Wenn eine Schule selbst aktiv wird

An der Volksschule Herbststraße in Wien-Ottakring gibt es seit heuer eine Klasse mit Spanisch-Schwerpunkt. Voraussetzung ist nur, dass das Kind Freude an der Sprache hat.

Ich brauch jemanden, der dirigieren kann“, fordert Volksschullehrer Mathias Sagl die Mädchen und Buben seiner dritten Klasse auf, sich zu melden. Eine Schülerin zeigt auf, traut sich dann aber doch nicht. Klassenkollegin Luna ist mutiger. Sie tritt vor die Klasse, beginnt laut ein Lied anzustimmen. Es ist ein spanisches Lied, und es handelt von einem Flugzeug. Nun singen alle Kinder lautstark mit.

Seit diesem Schuljahr wird an der Volksschule Herbststraße in Wien-Ottakring jedes Jahr eine Klasse mit Spanisch-Schwerpunkt geführt. Entstanden ist das Programm „Arco Iris“ (Regenbogen) vor sieben Jahren, erzählt Koordinatorin und Lehrerin Ingrid Beranek-König. Sie selbst spricht Spanisch, und als sie damals von einem Begleitlehrer unterstützt wurde, der ursprünglich aus Chile kam, spielte man mit dem Gedanken, irgendetwas mit Spanisch zu machen.

Schwierige Materialbeschaffung

Der Schulleitung gefiel die Idee. Und so baute Beranek-König immer wieder spanischsprachige Sequenzen in ihren Unterricht ein. „Am Anfang waren wir total flexibel, haben gemacht, was uns eben eingefallen ist. Relativ schwierig war die Materialbeschaffung: Wenn ich in Spanien war, habe ich Dinge gekauft, und die Eltern des anderen Lehrers haben immer wieder etwas aus Chile geschickt.“ Inzwischen verfügt die Lehrerin über einen Fundus an geeigneten Materialien, und „Arco Iris“ hat auch sonst Formen angenommen.

Native-Speakerin

Mit Victoria Storfa verfügt die Volksschule Herbststraße nun über eine Native-Speaker-Lehrerin. Sie unterrichtet in jeder Schulstufe zwei Stunden in der Woche. In der dritten Klasse unterhält sie sich an diesem Herbsttag über Südamerika. Welches ist das größte Land? Wo wird Spanisch gesprochen? Welche Staaten gibt es?

Storfa hat dazu eine Art Puzzle vorbereitet. Nach und nach kommen Mädchen und Buben an die Tafel, fügen ein Land nach dem anderen zu einem Kontinent zusammen. „Que falta?“ – „Was fehlt?“, fragt Storfa. Schließlich finden auch Peru und Bolivien ihren Weg in dieses Landkartenpuzzle. Letztendlich müssen die Länder noch beschriftet und die richtigen Fahnen gefunden werden. Immer wieder fragt Storfa nach bestimmten Ländern – nach den besonders großen oder den ganz kleinen. Manche Kinder antworten mit einem Wort. Andere mit einem ganzen Satz. Und das ist auch ganz in Ordnung so.

„Arco Iris“ soll vor allem eine Möglichkeit schaffen, einer neuen Sprache und damit auch einer neuen Kultur zu begegnen, betont Beranek-König. Ergänzend zu den zwei Stunden Native-Speaker-Unterricht bauen die Klassenlehrer, die alle ebenfalls Spanisch beherrschen, jeden Tag eine 15-minütige fremdsprachige Sequenz ein, und zwar integrativ. Also wird einmal im Sachunterricht Spanisch geredet, einmal beim Werken, dann wieder im Turnunterricht. „Der Unterricht ist auf die mündliche Verständigung angelegt“, betont die Koordinatorin. Benotet werden die Spanischleistungen nicht, es wird im Zeugnis lediglich die Teilnahme am Projekt festgehalten. Was die Kinder von diesem Sprachunterricht mitnehmen, ist denn auch von Schüler zu Schüler verschieden.

Kinder müssen motiviert sein

„Es gibt Kinder, die nach diesen vier Jahren kaum Spanisch sprechen, aber viel verstehen, und es gibt andere, die können sich schon gut verständigen.“ Schuldirektorin Gabriele Prokop betont, das Programm richte sich „an ganz normale Wiener Kinder“. Kriterium für die Aufnahme in die Klasse mit Spanischunterricht ist neben der Schulreife allerdings die Freude des Kindes an Sprache generell. Dazu gibt es ein entsprechendes Gespräch mit den künftigen Schülern. Beranek-König fügt hinzu: „Es ist vor allem wichtig, dass die Kinder das wollen.“

Sie freut sich auch immer über Kinder, die aus einem spanischsprachigen Elternhaus kommen. Denn: Das Lernen über die Peergroup, also Gleichaltrige, trage viel zum Erfolg bei. Und zwar auf beiden Seiten: Kinder, die zu Hause nur Deutsch sprechen, erlernen die neue Sprache schneller, und jene Mädchen und Buben, deren Eltern Spanisch sprechen, erlernen diese Mutter- oder Zweitsprache wesentlich besser. Meist können diese Kinder am Ende der Volksschule sowohl auf Deutsch als auch auf Spanisch lesen und schreiben.

Viele Eltern lernen mit

Und noch etwas hat Beranek-König beobachtet: Viele Eltern, die selbst bisher nicht Spanisch beherrscht haben, werden durch den Sprachunterricht der Kinder dazu animiert, die Sprache selbst zu erlernen.

Eltern, die fürchten, dass ihr Kind in dieser Klasse zwar Spanisch, aber nicht Englisch erlernt, hält Prokop entgegen: In den ersten beiden Schulstufen wird zwar tatsächlich auf den Englischunterricht verzichtet, dafür gibt es in der dritten und vierten Klasse mehr Stunden. Kein Kind wechsle also unvorbereitet in die Sekundarstufe. „Es gibt keinen Nachteil beim Übertritt“, betont Prokop.

Mit der AHS Geblergasse hat sich übrigens inzwischen eine Schule gefunden, die den Spanisch-Schwerpunkt fortführt. Dort können die Schüler ab der ersten Klasse AHS Spanisch freiwillig belegen, ab der fünften Klasse gibt es dann die Möglichkeit, die Sprache als regulären Unterrichtsgegenstand zu wählen und schließlich auch in Spanisch zu maturieren.

http://herbst2.nev-hilft.de

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.11.2009)

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