Endet die Mercedes-Serie mit Saisonstart?
Melbourne. Formel-1-Fahrer sind eigen, schnell, selbstverliebt, arrogant; der Begriffe gibt es sonder Zahl. Als Stilbruch aber gilt, die eigene Stärke schlechtzureden, Understatement zu betreiben. Dieses Mittel scheint nur tauglich, die eigene Ausgangslage zu schildern, wenn man sich auf nackte Zahlen beruft, zumindest machte das vor dem Saisonstart in Melbourne niemand Geringerer als Titelverteidiger Lewis Hamilton. Der Mercedes-Star sagt: „Ferrari ist schneller und damit Favorit.“
Es gilt als ausgeschlossen, dass ein Narziss und Alphatier wie der Brite freiwillig einem Kontrahenten die Vorfahrt lässt. Doch die Kernaussage macht Beobachtern Hoffnung: Ferrari hat aufgeholt, der Abstand zu den Mercedes-Seriensiegern ist wettgemacht, Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen sind schnell.
Der Deutsche, viermaliger Weltmeister mit RB Racing, wollte mit diesem Urteil nur wenig anfangen. Er sieht die Silberpfeile weiter voran. Die neuen Chassis-Regeln für seinen Rennwagen, getauft auf Gina, würden daran sicher nichts ändern – das war so ein Stilbruch. Hamilton begrüße aber jeden, der mit ihm Rennen fahren könne. „Das ist, was Rennsport ausmacht. Ich hoffe, das wird der Fall sein.“ Breitere Reifen, mehr Sound und sicher mehr Speed, die Grundvoraussetzungen sind gegeben.
Zwei Teenager an Bord
51 Mercedes-Siege in 59 GP schrien förmlich nach Veränderung, weitere werden von Neo-Besitzer Liberty Media umgesetzt. Über das Jahr gesehen werden höhere Kurvengeschwindigkeiten und schnellere Rundenzeiten erreicht. Durch den Wandel der Parameter wird es Gewinner, aber auch Verlierer geben.
Auf dem Personalsektor schrieb der Wechsel von Valtteri Bottas von Williams zu Mercedes die größten Schlagzeilen. Der Finne ersetzte Nico Rosberg, der Ende November nur fünf Tage nach Gewinn des WM-Titels zurücktrat. Mit dem 18-jährigen Kanadier Lance Stroll gibt es nur einen echten Newcomer, mit Max Verstappen (19) sind zwei Teenager in der F1 unterwegs.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2017)