Trotz schlechter Wirtschaftsdaten war der Leitindex der Istanbuler Börse am Montagmittag im Plus.
Frankfurt. Die Börse in Istanbul hat mit leichten Kursgewinnen auf die Mehrheit für Präsident Recep Tayyip Erdoğan beim Verfassungsreferendum reagiert. Der Leitindex der Istanbuler Börse lag gegen Montagmittag knapp ein Prozent im Plus. Auch die Währung des Landes legte zu, der Dollar verbilligte sich auf 3,65 Lira.
„Märkte bevorzugen Kontinuität“, kommentierte dies Volkswirt Carsten Hesse von der Berenberg Bank. Ähnlich die Analysten des Brokers BGC: Auf dem Markt stehe wohl die geringer werdende Wahrscheinlichkeit von Neuwahlen im Vordergrund, meinten sie.
Nach dem gescheiterten Putsch vom Sommer 2016 hatte der Leitindex der Istanbuler Börse bis zum Jahreswechsel über zehn Prozent verloren. Seither ging es mit einem Plus von gut 13 Prozent doppelt so stark bergauf wie bei DAX und Euro Stoxx 50. Die türkische Lira hatte wegen der politischen Turbulenzen um rund ein Drittel abgewertet.
Am Montag veröffentlichte Daten verdeutlichten die Schwäche der türkischen Wirtschaft: Die Arbeitslosenquote erreichte mit 13Prozent im Dreimonatszeitraum bis einschließlich Februar den höchsten Stand seit sieben Jahren, die Jugendarbeitslosigkeit kletterte von 19,2 auf 24,5 Prozent. Das Haushaltsdefizit weitete sich im März auf 19,5 Milliarden Lira (rund 4,9 Mrd. Euro) aus.
Die Wirtschaftskrise in der Türkei werde auch nach dem Referendum anhalten, sagte der Chef des Deutschen Wirtschaftsinstituts, Michael Hüther, dem „Spiegel“. Zu befürchten sei, dass Erdoğan unter dem Druck, rasche Erfolge vorzuweisen, Entscheidungen treffe, die kurzfristig etwas bewirken, langfristig jedoch eher schaden. Alarmierend seien neben der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit auch die Inflation, die seit Jahren zwischen 7,5 und 8,5 Prozent liegt, die negative Handelsbilanz und der Rückgang der Investitionen. Die Enteignungen seit dem Putsch im Sommer seien ein verheerendes Signal für das Investitionsklima, sagte Hüther. (ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2017)
