Junges Blut macht alte Gehirne jung

Medizin. In Nabelschnurblut des Menschen hat sich ein Molekül gefunden, das alten Versuchsmäusen zu neuer Erinnerung verhilft. Wie es wirkt, ist unklar. Und ob es besser wirkt als körperliche Aktivität, auch.

Dass der Saft des Lebens auch der der Jugend ist, war Vampiren so geläufig wie der ungarischen Gräfin Báthory, die sich Ende des 16. Jahrhunderts im Blut von 650 Jungfrauen suhlte. Nun ja, das sind Schauergeschichten. Aber etwas auch Gänsehaut Erregendes wurde 1860 in einem Labor Realität: Man vernähte zwei Mäuse so miteinander, dass ihre Blutgefäße verbunden waren, in diesen Kreaturen – Parabionten – fließt das Blut beider.

Damit erkundete man bis in die 1970er-Jahre alles Mögliche. Dann wurde den Forschern selbst unwohl dabei, und Tony Wyss-Coray (Stanford), der es um die Jahrtausendwende wieder etablierte, bekam es zu spüren: „Viele gruseln sich, sie reden auf Meetings von ,Vampiren‘“. Aber denen hörten sie doch zu: Wyss-Coray hat heterochrone Parabionten gebaut, alte und junge Mäuse miteinander vernäht. Das machte die Alten wieder jung, im Gehirn, und dort vor allem im Hippocampus, wo die Erinnerung sitzt.

„Es ist, als ob alte Gehirne von jungem Blut neu aufgeladen würden“, erklärte Wyss-Coray, der eine Biotechnikfirma zur Verwertung seiner Funde hat, dann eilte er wieder ins Labor. Denn die Konkurrenz schläft nicht: Amy Wagers (Harvard) hat im Blut junger Mäuse einen Kandidaten für die Verjüngung gefunden, GDF-11, ein Wachstumsfaktor, der im Gehirn neue Zellen bringt.

Auch Wyss-Coray blieb nicht untätig: Zunächst hat er statt mit jungen Mäusen mit deren Blutplasma die gleichen Erfolge erzielt, und nun ist er an Menschenblut gegangen, an das jüngstverfügbare, das in Nabelschnüren. Die wurden früher weggeworfen, inzwischen ist ihr Blut ein wertvoller Rohstoff. Hilft er gegen das Altern? Der Forscher hat alten Mäusen Nabelschnurblut von Menschen gespritzt, ihre Gehirne wurden wieder leistungsfähiger.

Dann hat er das wirksame Molekül identifiziert, es heißt TIMP2 und dient im Gehirn strukturellen Zwecken: Wie es verjüngt, ist unklar, es lässt keine neuen Zellen wachsen wie GDF-11. Dieses ist bei Wyss-Coray nicht aufgefallen, er will jedoch eine Kombination beider versuchen (Nature 19. 4.).

Noch ein besonderer Saft: Rote Rüben?

Allerdings stieß sein jetziges Experiment auch auf Kritik: Irina Conboy (Berkeley) bemängelte, dass der Effekt von TIMP2 nicht mit dem von simpler körperlicher Aktivität verglichen wurde. Auch die hat sich zum Verjüngen schon bewährt, an Menschen. Und nun hat Jack Rejetski (Wake Forest) einen blutroten Saft identifiziert, der, vorher getrunken, die Wirkung verstärkt, den von Roten Rüben (Journal of Gerontology 19. 4.).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2017)

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