Albtraumfabrikant mit Wellenturmfrisur

David Lynch.
David Lynch. (c) APA/AFP/FREDERIC J. BROWN (FREDERIC J. BROWN)
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David Lynch brachte das Unheimliche nach Hollywood – und ins Fernsehen. Sein Werk bleibt verstörend.

Blauer Himmel, weiße Zäune, rote Rosen. Ein US-Vorstadtidyll. Sanft gleitet ein altmodisches Feuerwehrauto vorüber: Der Trittbrettfahrer lächelt freundlich und winkt in die Kamera, sein Dalmatiner hechelt unbekümmert vor sich hin. Kinder laufen im Gänsemarsch über die Straße, ein paar Blocks weiter wässert Papa gedankenverloren seine Gartenpflänzchen. Aber irgendetwas stimmt nicht: Dieses sonnengeküsste Arkadien ist zu schön, um wahr zu sein. Ehe man sich's versieht, bricht der Mann mit dem Schlauch auf dem Rasen zusammen. Ein Schlaganfall. Und während er sich hilflos windet, schweift der Kamerablick von ihm ab, wird von einer unsichtbaren Macht ins Grasgestrüpp gezogen, tiefer und tiefer, bis sich die Kehrseite des suburbanen Elysiums offenbart: Im Untergrund kreuchen und fleuchen Ekel-Insekten wie Neurosen in den Seelen der Menschen . . .

Albträume. Mit der Eröffnungssequenz von „Blue Velvet“ schuf David Lynch eines der plattesten Sinnbilder der Filmgeschichte. Doch es ist auch eines der eindringlichsten – und bringt sein Werk gut auf den Punkt. Ein Großteil dessen ist der Versuch, das Unheimliche im Sinne Sigmund Freuds auf die Leinwand zu bringen: als „etwas dem Seelenleben von alters her Vertrautes, das ihm nur durch den Prozess der Verdrängung entfremdet worden ist“. Klar: Jeder zweite Horrorfilm will Ähnliches. Aber die meisten Genrestücke springen zwischen Grauen und Gewohntem hin und her. Sie wiegen den Zuschauer in Sicherheit, um ihm dann mit Schockeffekten den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Bei Lynch bewegt man sich ständig auf unsicherem Terrain: eine ungleich verstörendere Erfahrung. Oft werden seine Filme mit Albträumen verglichen – dabei ähneln sie vielmehr jener Phase zwischen Schlaf und Wachzustand, in der man Hirngespinst und Wirklichkeit nicht voneinander unterscheiden kann.

Für gewöhnlich wird der direkte Draht zum Unbewussten eher bildenden Künstlern attestiert, tatsächlich wollte Lynch zuerst Maler werden. In den 1960er-Jahren ging er nach Europa – doch die Hoffnung auf ein Studium bei Oskar Kokoschka blieb unerfüllt. Als Alternative bot sich die altgediente Kunstschule von Philadelphia an, wo Lynch seine Ader fürs Laufbild entdeckte und erste Kurzfilme drehte: Grundsteine für den Durchbruch „Eraserhead“. Die bizarre Parabel imaginiert den Alltag eines jungen Vaters als kafkaesken Parcours durch schwarz-weiße Stadthöllen.

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