Stefan Wallner: Linkskatholik vor dem Elchtest

Stefan Wallner
Stefan Wallner(c) Clemens Fabry
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Sonntagsspaziergang: Vom Caritas-Generalsekretär zum Grünen-Bundesgeschäftsführer: Stefan Wallner über die Quelle seiner Religiosität, die Wurzeln seiner Partei und italienische Plätze in Wien.

Stefan Wallner (38) hat das klassische katholische Sozialisierungsprogramm durchlaufen: Ministrant, Jungschar, Katholische Hochschuljugend, deren Generalsekretär er sogar war. In den vergangenen zehn Jahren war er das bei der Caritas – eine Funktion, die maßgeschneidert für ihn scheint. Nun wird Wallner wieder Generalsekretär (oder wie es korrekt heißt: Bundesgeschäftsführer) – bei den Grünen. Wallner ist, was man salopp einen „Linkskatholiken“ nennt. „Das sind alte Hüte“, wehrt er schmunzelnd ab. Er sei jedenfalls katholisch, teils links, teils liberal, teils bürgerlich.

Der gebürtige Grazer sitzt im Wiener Café-Restaurant „Inigo“, einem Beschäftigungsprojekt für Langzeitarbeitslose und Haftentlassene, das seinerzeit von Pater Georg Sporschill gegründet und seither von der Caritas geführt wird, am Dr.-Ignaz-Seipel-Platz in der Innenstadt. „Das ist – neben dem Franziskanerplatz und dem Judenplatz – mein Lieblingsort in Wien. Weil er so italienisch ist“, sagt Wallner. Der Dr.-Ignaz-Seipel-Platz, benannt nach dem Prälaten, der in den 20er-Jahren christlich-sozialer Kanzler war, wird umrahmt von der Akademie der Wissenschaften, der Alten Universität und der Jesuitenkirche. Dort wurde vor drei Wochen Wallners Tochter getauft.

Er sei religiös, weil das für ihn eine Quelle des humanitären Handelns sei, sagt Wallner. Wobei es für andere natürlich auch andere Quellen gebe. „Das ist nichts exklusiv Christliches.“ Sein Onkel, eine „Priesterpersönlichkeit“, habe ihm ein sehr positives, inspirierendes Bild der Kirche vermittelt. „Es hat in meinem Umfeld aber auch Menschen gegeben, die sehr üble Erfahrungen mit kirchlichen Repräsentanten gemacht haben.“ Zu heiklen Themen wie Kruzifixen in Klassenzimmern oder Frauen als Priester möchte Wallner vor dem 4.Dezember, dem Tag, an dem er im Grünen-Vorstand, zum Bundesgeschäftsführer gewählt werden soll, noch nichts sagen. „Der Elchtest kommt dann eh früh genug“, sagt Wallner mit schelmischem Lächeln. Den Widersprüchen, die sich da auftun könnten, sieht er gelassen entgegen. Wie er überhaupt einen sehr entspannten, ironischen Zugang zu vielen Dingen hat.

Nicht nur in der Caritas hat er viele mit seiner Entscheidung überrascht, sondern auch seine Eltern. „Sie haben zwar nicht volles Verständnis, dafür aber viel Vertrauen.“ Wallners Vater, ein pensionierter Software-Entwickler, ist ÖVP-Mitglied. Seine Mutter war im Einzelhandel tätig. Er sei als Einzelkind von seinen Eltern, die selbst nicht Matura machen konnten, immer sehr unterstützt worden, erzählt Wallner.

Eine Zeitlang, während des Politologie- und Geschichtestudiums, hatte Stefan Wallner für die ÖVP-nahe „Julius-Raab-Stiftung“ Armutsstudien ausgearbeitet. Dem Thema blieb er treu. Die Grünen habe er damals schon gewählt, verrät er. Nachdem er den Zivildienst bei der Caritas absolviert hatte, blieb er gleich dort. Als deren Generalsekretär verhandelte er in den vergangenen Jahren alle relevanten Themen – Mindestsicherung, Absetzbarkeit von Spenden, Integration, Pflege. Besonders am Herzen liegt Wallner die Existenzsicherung: „Der Kern der Politik ist für mich, dass jeder Mensch ein geglücktes Leben führen kann.“

Vor drei Wochen sei er von Eva Glawischnig, die er von routinemäßigen Treffen mit den Klubobleuten kannte, gefragt worden. Als grünes Signal an bürgerliche Wähler sieht sich Wallner, der auch bei Josef Prölls Perspektivengruppe mittat, nicht. „Es ist ein mutiger Schritt, jemanden von außen zu holen. Es ist ein Akzent in Richtung Zivilgesellschaft.“ Und diese sei schließlich eine Wurzel der Grünen. Solche Gründungsmythen seien für eine Partei identitätsstiftend.

Vorbild Harnoncourt. Ist die Caritas mittlerweile eine Vorfeldorganisation der Grünen? „Blödsinn“, lacht Wallner. In der Caritas spiele der politische Hintergrund keine Rolle, obwohl es etliche Mitarbeiter gebe, die zuvor bei Parteien tätig waren. Stefan Wallner, in zweiter Ehe verheiratet und Vater dreier Kinder (15 und 12 Jahre sowie fünf Monate) geht nun den umgekehrten Weg. Ein politisches Vorbild hat er nicht. „Wenn ich ein Vorbild habe, dann am ehesten Nikolaus Harnoncourt – ein Mann der Klarheit und Wahrhaftigkeit, der hohe Ansprüche an sich stellt und auch Widerstände zu überwinden hatte“, sagt der Klassikfan mit Musikverein-Abo. Man finde ihn aber auch oft im Jazzklub Porgy & Bess. Und mit dem Mountainbike auf dem Kahlenberg oder mit Tourenskiern in den „Wiener Alpen“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2009)

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