Gesucht: Ikonen der Kunst

Der Kunstmarkt sei selektiver geworden, sagt Christie's-Experte Andreas Rumbler.
Der Kunstmarkt sei selektiver geworden, sagt Christie's-Experte Andreas Rumbler.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Am 27. Juni versteigert Christie's ein Meisterwerk von Max Beckmann, das laut Auktionator Andreas Rumbler schon jetzt den Rekord in der Tasche hat.

Hölle der Vögel“, Max Beckmanns kafkaesker Protest gegen das Nazi-Regime mit monströsen Vogelwesen und einem Gemarterten wird am 27. Juni bei Christie's in London einen neuen Auktionsrekord erzielen. So viel ist heute schon sicher. Denn das auf 30 Millionen Pfund geschätzte, historisch bedeutende Gemälde hat eine Garantie, die über dem bisherigen Höchstpreis von 20,5 Millionen Dollar liegt, verrät Andreas Rumbler, Auktionator der New Yorker Auktionen für Impressionismus und Moderne, im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“. Das Werk hing bis vor Kurzem noch in einer Beckmann-Ausstellung im Metropolitan Museum in New York und ist marktfrisch.

Der bisherige Rekordpreis datiert ins Jahr 2001 und wurde für ein Selbstporträt Beckmanns bezahlt. Relevante Arbeiten des Künstlers waren schon länger nicht auf dem Markt. In den vergangenen fünf Jahren hat nur ein Bild einen höheren Preis erzielt: „Stillleben mit Grammofon und Schwertlilien“ wurde bei Sotheby's 2014 mit 7,1 Millionen Dollar zugeschlagen. „Von Beckmann sind die Personenbilder am begehrtesten, weil er ein Personenmaler war“, sagt Rumbler. Und hier wiederum die Selbstporträts. Davon seien zuletzt eben wenige angeboten worden.

Politisches Werk.
Die „Hölle der Vögel“ mache die historische Bedeutung so interessant, denn Beckmann sei normalerweise kein politischer Maler gewesen. „Dieses Werk ist eine direkte Antwort auf die Nazi-Schandausstellung ,Entartete Kunst‘ im Jahr 1937“, so Rumbler. Hitlers Hetzparolen gegen die Moderne hätten ihn so getroffen, dass er Deutschland verließ und ins Exil nach Amsterdam ging, später nach Amerika. „In diesem Bild zeigt Beckmann die Abgründe des menschlichen Daseins“, sagt der Christie's-Experte.

Es ist ein Meisterwerk, eine Ikone des Kunstmarktes, für das Sammler bereit sind, Höchstpreise zu bezahlen. „Im gesamten 20. Jahrhundert spitzt sich der High-End-Markt auf Meisterwerke zu. Sie werden überproportional gesucht und dafür werden enorme Preise bewilligt“, so Rumbler. Doch im Gegensatz zu früher zögen sie nicht mehr das gesamte Preisniveau eines Künstlers mit nach oben. Vor fünf bis zehn Jahren haben vor allem gewichtige Namen gezogen, auch für Werke, die keinen Meisterwerkstatus hatten. Damit hat sich das Preisniveau für den Künstler insgesamt nach oben angepasst. „Mit den niedrigen Zinsen haben die Topsammler begonnen, sich auf Meisterwerke zu stürzen und enorme Aufpreise zu bieten“, erzählt Rumbler aus der Praxis. Es gebe Sammler, die auf ihn zukämen und nach einem Topbild fragen. „Wenn ich ihnen sage, das kostet 20 Millionen Dollar, dann sagen sie mir, ich gebe dir 40 Millionen, wenn du mir das Werk wirklich beschaffst.“ Damit könne man auch leichter ein hervorragendes Werk vom Eigentümer, der es zu den bisherigen Marktpreisen nicht zu verkaufen bereit war, loseisen. Der Markt sei in den vergangenen Jahren bei der Qualität deutlich selektiver geworden.

Egon Schiele.Bei der Auktion am 27. Juni kommt auch ein wichtiges Werk von Egon Schiele zum Aufruf. „Einzelne Häuser (Häuser mit Bergen)“ aus dem Jahr 1915 ist eine Ansicht des Ortes Krumau. Die in tristem Graubraun gemalte Landschaft ist Schieles Form, die Erlebnisse des Kriegsjahres künstlerisch zu verarbeiten. Die Schätzung liegt bei 20 bis 30 Millionen Pfund und könnte ebenfalls zu einem neuen Rekord führen. Der aktuelle Höchstpreis für Schiele liegt bei 22 Millionen Pfund, erzielt 2011 bei Sotheby's für „Häuser mit bunter Wäsche“. „Diese Arbeit von Schiele ist zeitlos. Sie wird immer modern anmuten“, sagt Rumbler. Die Zeitlosigkeit einer Arbeit spiele ebenfalls eine entscheidende Rolle für den Marktwert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2017)

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