Rudolf Hradil: Stadtveduten, Stillleben, Zivilisationsmüll

„Spanische Treppe“ (Rom), um 1990, Aquarell von Rudolf Hradil.
„Spanische Treppe“ (Rom), um 1990, Aquarell von Rudolf Hradil.(c) Galerie Kopriva
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Rudolf Hradil. Zehn Jahre nach seinem Tod wird das Œeuvre des österreichischen Malers Rudolf Hradil (1925–2007) nun systematisch aufgearbeitet.

Krems. Rudolf Hradil war ein österreichischer gegenständlicher Maler, Druckgrafiker und Zeichner und wird der späten klassischen Moderne zugerechnet. Werke von ihm finden sich in wichtigen österreichischen Sammlungen. Rudolf Hradil war keiner der Lauten, keiner, der sich an der vordersten Front des Kunstbetriebs aufstellte, um aufzufallen. Das war nicht der Stil seiner Generation. Geboren in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen in Salzburg, wuchs er in einer künstlerischen Familie auf: Der Vater war Zeichenlehrer. Die Mutter hatte in Weimar bei Leo Putz ebenfalls Malerei studiert. Der Onkel war Architekt. Rudolf Hradils Jugend war aber zuvorderst von der Erfahrung des Krieges geprägt. Frei zu zeichnen begann er in der Kriegsgefangenschaft. Das war für ihn letztlich der späte Anstoß, eine künstlerische Laufbahn einzuschlagen.

Nach dem Malereistudium an der Akademie der Bildenden Künste 1947–1951, unter anderem bei Boeckl und Gütersloh, sowie Ferialstudien bei Anton Kolig ging er mit einem Stipendium nach Paris. Diese Zeit war prägend für den Künstler, vor allem aufgrund der Besuche im Studio von Fernand Léger. „Ich entdeckte dort nicht nur mein Interesse an Stadtlandschaften, sondern auch meine Vorlieben für den Kritzelstil und die duftigen Farben der Aquarellmalerei“, erinnert er sich. „Auch motivisch hat mich Fernand Léger beeindruckt.“ Worin sich die beiden allerdings nicht einig wurden, war die Frage des Formats. Léger legte ihm nahe, nach seinen Entwürfen und Skizzen großformatige Bilder zu malen. „Das scheiterte allerdings an den bescheidenen Ausmaßen des kleinen Mansardenzimmers, das ich am Montparnasse gefunden hatte“, erinnert sich Hradil. Später arbeitete er in größeren Formaten, doch das richtig Großmaßstäbliche war zeitlebens nicht Seines.

Umso intensiver beschäftigte er sich mit der Zeichnung – vor allem der Federzeichnung –, dem Aquarell und druckgrafischen Techniken. „Worauf es ankommt, ist die Spontaneität der Umsetzung, ist die kalligrafische Handschrift als direkter Ausdruck der Sensibilität“, schreibt er. „Deswegen liegen mir auch Federzeichnung und Aquarell mehr als die schwerfällige Ölmalerei.“ Die Zeichnung war ihm nicht zuletzt auch Mittel der Vorbereitung und Einstimmung auf Farbklänge. „Weil ich nicht lediglich optische Eindrücke, sondern das psychische Erlebnis dieser Eindrücke wiedergeben will, male ich meine Aquarelle im Hotelzimmer oder Atelier, nicht vor der Natur.“

Ein weiterer Mentor war Max Peiffer Watenphul. Ihm begegnete er um 1964. Hradil beschreibt ihn als „großen Anreger“, der „den letzten entscheidenden Einfluss“ auf seine künstlerische Entwicklung ausübte. Er lehrte ihn die Aquarellmalerei und perfektionierte ihn in der Farblithografie. Noch wichtiger aber war sein intellektueller Einfluss: „Anhand seiner umfangreichen Sammlung moderner Kunst – Grosz, Klee, Gilles und anderer – hat er mich aus Abgeschiedenheit an internationale Kunstmaßstäbe herangeführt“, so Hradil.

Städte als Forschungsfeld

Die Internationalität suchte Hradil auch auf seinen Reisen, die ihn nach Italien, Griechenland, Frankreich, London, Paris, Berlin, New York und immer wieder nach Venedig und Rom führten. Die Städte waren letztlich sein hauptsächliches künstlerisches Forschungs- und Experimentierfeld. Stadtbilder bestimmen als moderne Stadtveduten das Gros seines Oeuvres. Hradil: „Mir geht es stets darum, eigenes Erleben umzusetzen. Deswegen faszinieren mich Stadtmotive; sie gehören zu den häufigsten menschlichen Erfahrungen, weil dort einfach die meisten Menschen leben.“ Sein großes Interesse galt den Randzonen und Peripherien. „Gewissermaßen als Flaneur bin ich oft und gern aus den Zentren an die Peripherien, in die Hafenanlagen großer Städte gewandert, um mich dort für meine grafische Arbeit inspirieren zu lassen“, notiert er. Besondere Faszination übte auf ihn Rom aus: „Mich regt das Nebeneinander, Einander-Überlagern und Ineinander-Dringen antiker, barocker und moderner Architektur und technischer Kürzel, Zeichen und Formen, wie Rom es aufweist, ganz besonders an.“ Die so entstandenen Rom-Arbeiten füllen ein ganzes Buch („Roma Amor“). Schon die frühen Ölbilder, Zeichnungen und Lithografien aus den 1950ern belegen sein Interesse am „Zivilisationsmüll“. Es ist dies ein Interesse, das sich bis ins Spätwerk mit seinen verschobenen Perspektiven behauptet. Hradil: „Der Serienabfall der Industrie, der Zivilisationsmüll, ebenso Gegenstände des täglichen Gebrauchs haben mich zu Kompositionen angeregt.“

Ein kleines Segment von Rudolf Hradils Schaffen machen die Stillleben aus, deren Charakteristika einerseits ihre spannungsvollen Kompositionen, andererseits ihre eigenwillig verhaltene Farbigkeit ist. Und auch hier schieben sich ab und zu urbane Segmente ins Bild – Antikes wie Peripheres. Klassische Modernität sozusagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2017)

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