Moschee-Attacke in London: "Ich will alle Muslime töten"

Der Tatort in London.
Der Tatort in London.(c) Imago
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Ein Mann war mit einem Lieferwagen in eine Menschenmenge nahe einer Moschee gefahren. Die Tat wird vorerst "wie ein Terroranschlag" behandelt.

Mit einem Lieferwagen hat ein Mann in London zehn Mitglieder einer muslimischen Gemeinde verletzt. Der 48-Jährige war in der Nacht zum Montag in eine Menschenmenge in der Nähe eines Gebetshauses gerast, die Polizei behandelt die Tat als Terrorangriff. Der Täter wurde festgenommen und steht unter dem Verdacht des versuchten Mordes, weitere Verdächtige gibt es nicht.

Ob ein vor Ort gestorbener Mann als Folge des Angriffs umkam, war nach Angaben der Polizei zunächst unklar - er bekam demnach schon vorher Erste Hilfe.

Die Gemeindemitglieder waren während des Fastenmonats Ramadan nach dem Ende eines Gebets im Stadtteil Finsbury Park auf der Straße. Acht der Opfer mussten nach Polizeiangaben im Krankenhaus behandelt werden. Wie schwer sie verletzt waren, war zunächst nicht bekannt. Scotland-Yard-Chefin Cressida Dick kündigte an, zusätzliche Beamte einzusetzen - auch in der Nähe von muslimischen Einrichtungen.

Das Motiv des Täters war zunächst unklar, Waffen hatte er nach Angaben der Polizei nicht dabei. Er sollte unter anderem auf seine psychische Gesundheit untersucht werden. Dem Leiter muslimischen Gebetshauses zufolge soll er gerufen haben: "Ich habe meinen Teil getan", anderen Zeugen zufolge soll er gesagt haben, er wolle Muslime töten.

Seit März war Großbritannien dreimal von Terroranschlägen erschüttert worden. In Manchester hatte ein Selbstmord-Attentäter Ende Mai nahe einem Pop-Konzert 22 Menschen getötet. In London töteten Terroristen im März und Anfang Juni insgesamt mindestens 13 Menschen. Die Londoner Polizei hatte nach den jüngsten Anschlägen mehr islamfeindliche Vorfälle registriert als üblich.

May beruft Krisensitzung ein

Premierministerin May sprach von einem "schrecklichen Zwischenfall" und berief eine Krisensitzung ein. Die blutige Attacke erinnere daran, dass "Terrorismus, Extremismus und Hass viele Formen annehmen", sagte May am Montag in der Downing Street. "Unsere Entschlossenheit, sie zu bekämpfen, muss dieselbe sein, wer auch immer verantwortlich ist." Bei dem Vorfall in der Nacht handle es sich um einen Angriff auf Muslime in der Nähe ihres Gotteshauses, sagte May vor Journalisten. Das Land werde sich durch die Tat aber nicht spalten lassen, sagte die Regierungschefin nach einer Krisensitzung in Westminster am Montag. "Hass und Böses dieser Art werden niemals Erfolg haben", so May. Sie verurteilte Extremismus jeder Art.

Ex-Premierminister David Cameron nannte die Tat auf Twitter eine "entsetzliche terroristische Attacke auf friedlich betende Muslime". Auch Londons Bürgermeister Sadiq Khan bewertete die Tat als zielgerichtete Attacke: Es handle sich um einen "fürchterlichen Terroranschlag auf unschuldige Menschen". Manchesters Bürgermeister Andy Burnham schrieb: "Wir werden weiter zusammenstehen gegen Extremisten, die einen Teufelskreis der Gewalt wollen."

Täter von Gemeindemitgliedern festgehalten

Die Einsatzkräfte hatten nach eigenen Angaben gegen 00.20 Uhr (Ortszeit) die ersten Notrufe vom Ort des Geschehens in der Seven Sisters Road erhalten. Unmittelbar nach der Tat soll der Imam der Gemeinde den Fahrer des Lieferwagens festgehalten und zugleich vor wütenden Umstehenden beschützt haben. Mohammed Mahmoud "hielt ihn mit zwei oder drei anderen in Schach und übergab ihn der Polizei, als sie kam", sagte Toufik Kacimi, der Leiter des Gebetshauses, der Nachrichtenagentur PA.

Es seien so viele Menschen auf der Straße gewesen, weil eines der Gemeindemitglieder krank geworden sei und Hilfe gebraucht habe. Der Imam habe den Fahrer als "sehr gewalttätig und aggressiv" beschrieben, sagte Kacimi weiter.

Das Gebetshaus verurteilte den Vorfall: "Wir haben über Jahrzehnte sehr hart für eine friedliche und tolerante Gemeinschaft hier in Finsbury Park gearbeitet und verurteilen schärfstens jeden Akt des Hasses, der versucht, unsere wunderbare Gemeinschaft zu spalten", heißt es in einer Mitteilung, die das Muslim Welfare House im Internet veröffentlichte.

Corbyn will Moschee besuchen

Großbritanniens Oppositionsführer Jeremy Corbyn zeigte sich geschockt von "dieser entsetzlichen und grausamen Attacke (...)", wie er am Montagmorgen im Kurznachrichtendienst Twitter mitteilte. Er sprach den Familien und Freunden des getöteten Mannes sein Beiland aus und kündigte an in dem betroffenen Gotteshaus zu beten. Der Vorsitzende der oppositionellen Labour-Partei ist Wahlkreisabgeordneter des Londoner Stadtteils, in dem der Angriff passierte. Er wolle die Moschee am Montag zusammen mit dem Vorsitzenden der Bezirksverwaltung besuchen.

Der EU-Chefunterhändler Michel Barnier sprach den Briten sein Beileid aus. "Meine allerersten Worte sollen mein tiefes Mitgefühl mit dem britischen Volk zum Ausdruck bringen, das mit tragischen Ereignissen konfrontiert ist", sagte Barnier am Montag in Brüssel zum Auftakt der EU-Verhandlungen mit Großbritannien über einen Austritt des Landes aus der Europäischen Union.

(APA/AFP)

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