Bahn: Sozialpartner ziehen an einem Strang

Nicht nur die Gewerkschaft, sondern auch die Wirtschaftskammer lehnt verpflichtende Ausschreibungen im Schienenpersonenverkehr ab.

Wien. In Österreich sind nur wenige Bahnstrecken wie die Westbahn zwischen Wien und Salzburg profitabel zu betreiben. Damit unterscheidet sich Österreich kaum von anderen Ländern. Trotzdem wird in Deutschland der Betrieb einer Strecke oft ausgeschrieben. Den Zuschlag erhält, wer wenig Subventionen braucht.

In Österreich gibt es eine andere Entwicklung. Im Zuge der Diskussionen um die Anfang Juni vom Ministerrat beschlossene Vergaberechtsnovelle ziehen nun die Sozialpartner an einem Strang. Demnach lehnt nicht nur die Gewerkschaft, sondern auch die Wirtschaftskammer eine verpflichtende Ausschreibung ab. So erklärte der Obmann des WKO-Fachverbands Schienenbahn, Thomas Scheiber, dass verpflichtende Ausschreibungen den Schienenverkehr in Österreich nicht besser oder billiger machen würden, vor allem wenn es nur einen Wettbewerb um attraktive Strecken gebe.

„Gewinne werden privatisiert, Verluste müssen von der öffentlichen Hand – und damit vom Steuerzahler – getragen werden“, warnte Scheiber. Bund, Länder, Städte und Gemeinden sollten nach Ansicht der Wirtschaftskammer weiterhin die Wahlfreiheit haben, ob sie ihre Strecken ausschreiben oder direkt vergeben.

Die Gewerkschaft sieht bei europaweiten Bahnausschreibungen die Gefahr von Lohn- und Sozialdumping und wies darauf hin, dass die Direktvergabe österreichweit rund 50.000 Arbeitsplätze in Eisenbahnunternehmen sichert. „Ein Aus der Direktvergabe bedeutet, dass Bahnunternehmen aus der gesamten EU am Wettbewerb teilnehmen“, so Vida-Chef Roman Hebenstreit. Auch der österreichische Städtebund warnte davor, bei der Vergaberechtsnovelle die verpflichtende Ausschreibung von Personenverkehrsdienstleistungen festzuschreiben. Die SPÖ zeigt eine Präferenz für Direktvergaben.

Bis 2019 sind die meisten Strecken ohnehin vertraglich den ÖBB zugesichert. Dann sollen sie erneut für zehn Jahre vergeben werden. Die von der EU geforderte Pflicht zur Ausschreibung kommt erst ab 2023. (höll)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2017)

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