Mutige Ermittler legen Korruptionssumpf in Guatemala trocken

Otto Perez Molina war einst Guatemalas mächtigster Mann
Otto Perez Molina war einst Guatemalas mächtigster MannAFP (JOHAN ORDONEZ)
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In Guatemala ist in den vergangenen Jahren etwas ganz Erstaunliches passiert: In dem korruptionsverseuchten Land wird aufgeräumt, und zwar gründlich.

Otto Perez Molina war einst Guatemalas mächtigster Mann - jetzt ist er der prominenteste Häftling des mittelamerikanischen Landes. Als Präsident soll er persönlich das kriminelle Netzwerk "La Linea" geführt und Millionen an Zolleinnahmen unterschlagen haben.

In Lateinamerika kommen Politiker mit solchen Eskapaden üblicherweise davon - doch diesmal ist alles anders. Seit fast zwei Jahren sitzt der schneidige Ex-General nun in einem Militärgefängnis und wartet auf sein Urteil.

In Guatemala ist in den vergangenen Jahren etwas ganz Erstaunliches passiert: In dem korruptionsverseuchten Land wird aufgeräumt und zwar gründlich. Die gesamte politische und wirtschaftliche Elite steht im Visier der Ermittler: Neben Perez sitzen auch seine frühere Stellvertreterin Roxana Baldetti sowie Dutzende Beamte, Politiker und Unternehmer in Haft. Jahrzehntelang betrachtete die Oberschicht Guatemalas das mittelamerikanischen Land als Beute - jetzt müssen sie Rechenschaft ablegen.

"Die illegalen politisch-wirtschaftlichen Netzwerke haben sich in Guatemala aller Institutionen bemächtigt", sagt der Leiter der Internationalen Kommission gegen Straffreiheit (Cicig), Ivan Velasquez. "Wir zerschlagen diese Banden jetzt, damit die Bürger wieder Vertrauen in die Justiz und den Staat fassen können." Im Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International liegt Guatemala auf dem 136. Platz.

Gemeinsam mit der guatemaltekischen Generalstaatsanwaltschaft zieht die UN-Organisation gerade das ganze Land auf links. Politiker, Wirtschaftsbosse und kriminelle Familienclans - niemand ist vor den hartnäckigen Ermittlern sicher. Zuletzt wurden auch der Sohn und ein Bruder des amtierenden Präsidenten Jimmy Morales angeklagt.

Generalstaatsanwältin Thelma Aldana treibt die Ermittlungen voran. Das US-Magazin "Time" nahm die Juristin zuletzt in seine Liste der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten auf. "Sie hat bewiesen, dass Rechtsstaatlichkeit die Korruption besiegen kann - selbst wenn sie bis in die höchsten Regierungskreise reicht", schrieb der Chef von Transparency International, Jose Carlos Ugaz, in seiner Laudatio. "An diese Botschaft sollten sich alle Länder erinnern."

Dabei deutete zunächst nichts darauf hin, dass gerade Aldana den korrupten Kungelrunden in Guatemala das Handwerk legen würde. Sie wurde noch von Perez selbst ernannt und galt deshalb zunächst als Gefolgsfrau des Ex-Militärs. Allerdings emanzipierte sich Aldana zügig von ihrem einstigen Förderer und beantragte schließlich persönlich den Haftbefehl gegen den Staatschef. Das sei der schwerste Tag in ihrer Amtszeit gewesen, sagt sie.

Ermutigt wurden die Ermittler durch den Druck der Straße. Die Bürger hatten die Nase voll von Funktionären und Politikern, die den Staat als großen Selbstbedienungsladen verstanden. In den Wochen vor der Festnahme von Perez demonstrierten Studenten und Angestellte, Bauern und Geschäftsleute gemeinsam gegen die Korruption im Land. "Das war entscheidend", sagt Aldana. "Wenn die guatemaltekische Zivilgesellschaft sich nicht eingemischt hätte, wäre die Geschichte des Landes eine andere gewesen."

Das Beispiel Guatemalas macht in der Region Schule. In Honduras nimmt nun eine Unterstützungsmission gegen Korruption und Straflosigkeit (Maccih) den Kampf gegen die Korruption auf. Wichtig ist nach Einschätzung von Experten die Unterstützung internationaler Organisationen - der Vereinten Nationen im Fall von Cicig, der Organisation Amerikanischer Staaten im Fall von Maccih.

"Unabhängige, international unterstützte Institutionen sind ein wichtiges und innovatives Werkzeuge, um Fähigkeiten in den heimischen Justizsystemen aufzubauen", sagt Adriana Beltran vom Washington Office on Latin America. Die Vereinigten Staaten haben ihre finanzielle Unterstützung der Region an eine effektive Korruptionsbekämpfung gekoppelt und machen so zusätzlich Druck.

In der Region gibt es allerdings immer wieder Versuche, das Mandat der unabhängigen Ermittler zu beenden. Für die Eliten steht viel auf dem Spiel. "Beide Missionen spüren heftigen Gegenwind interessierter Gruppen in der Politik und der Wirtschaft", sagt Beltran.

Nach Jahrzehnten der Korruption und Vetternwirtschaft ändern sich die Verhältnisse nicht über Nacht. Dass jetzt sogar Ex-Präsident Perez hinter Gittern ist, sendet aber ein wichtiges Signal. "Guatemala ist aufgewacht", sagt Generalstaatsanwältin Aldana. "Über Jahrzehnte fand die Korruption im Stillen statt, sie war Teil unserer Kultur. Jetzt sehen wir einen tiefgreifenden Wandel. Eine neue Kultur beginnt, sich herauszubilden."

Mit ihrem unerschrockenen Vorgehen hat sich Aldana in Guatemala viele Feinde gemacht. Als sie Richterin am Obersten Gerichtshof war, gab sie nebenbei noch Vorlesungen zum Familienrecht an der Universität. Das ist heute undenkbar - viel zu gefährlich. Ständig wird sie von Leibwächtern begleitet. "La Linea hat schon ein Attentat auf mich geplant", sagt sie. "Sie haben Auftragskiller in El Salvador und Honduras angeheuert, um mich zu töten."

(Denis Düttmann/dpa)

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