Ifo-Barometer auf Rekordwert - "Die Party geht weiter"

APA/dpa/Angelika Warmuth
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Bauboom, konsumfreudige Verbraucher und die von der robusteren Weltkonjunktur profitierenden Exporteure schieben derzeit Europas größte Volkswirtschaft an.

Die Stimmung der deutschen Manager ist so gut wie noch nie. Der Geschäftsklimaindex kletterte im Juni überraschend von 114,6 auf 115,1 Punkte, wie das Münchner Ifo-Institut am Montag zu seiner Umfrage unter 7000 Führungskräften mitteilte. Damit wurde der Rekordwert vom Vormonat überboten. Von Reuters befragte Ökonomen hatten mit einem leichten Rückgang auf 114,4 Zähler gerechnet. "In den deutschen Chefetagen herrscht Hochstimmung", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. "Die deutsche Wirtschaft setzt ihren Höhenflug fort." Die Manager beurteilten sowohl die Geschäftslage als auch die Aussichten für die kommenden sechs Monate besser.

"Wir sehen drei maßgebliche Faktoren als Treiber der sehr guten Konjunktur in Deutschland", sagte LBBW-Chefvolkswirt Uwe Burkert. "Die niedrigen Zinsen, den fallenden Ölpreis und den zum US-Dollar unterbewerteten Euro. Solange diese Faktoren wirken, dürfte sich an der Konjunkturdynamik in Deutschland wenig ändern." Risiken wie der geplante EU-Austritt Großbritanniens oder eine erratische Politik in den USA würden derzeit ausgeblendet. "Mittelfristig droht sogar eine Überhitzung", sagte Burkert. "Die Party geht weiter", sagte DekaBank-Experte Andreas Scheuerle. "Das Fest wird immer rauschender und die Stimmung schaukelt sich auf." Das werde sich irgendwann korrigieren. "Dann sollten wir bitte nicht den Fehler machen, dies als den Weg in die nächste Rezession zu interpretieren", betonte Scheuerle.

Die Stimmung verbesserte sich etwa im Verarbeitenden Gewerbe. "Die Nachfrage und der Auftragsbestand entwickelten sich sehr gut", erklärte Fuest. Auch im Groß- und Einzelhandel zeigte das Barometer nach oben. Dagegen ging es in der Baubranche auf hohem Niveau leicht nach unten. "Aufgrund der sehr guten Auftragslage ist zu erwarten, dass die Preise für Bauleistungen steigen", sagte Fuest.

Bauboom, konsumfreudige Verbraucher und die von der robusteren Weltkonjunktur profitierenden Exporteure schieben derzeit Europas größte Volkswirtschaft an. Viele Institute hoben deshalb ihre Konjunkturprognose an. Die Ifo-Forscher korrigierten ihre Wachstumsschätzung für 2017 von 1,5 auf 1,8 Prozent und für 2016 von 1,8 auf 2,0 Prozent. Die Bundesregierung geht dagegen nur von 1,5 und 1,6 Prozent aus.

Das sagen Ökonomen

"THOMAS GITZEL, VP BANK, LIECHTENSTEIN:

"Das ist der Wahnsinn. Und er steigt und steigt und steigt... Die deutschen Unternehmen scheinen im siebten Himmel angekommen zu sein. Das wichtigste deutsche Konjunkturbarometer bricht fast alle Rekorde. Es läuft derzeit richtig rund für die deutsche Wirtschaft.

Um es aber auf den Punkt zu bringen: Das wichtigste Konjunkturfrühbarometer hat sich deutlich von dem entfernt, was von der deutschen Volkswirtschaft tatsächlich zu erwarten ist. Gemäß dem historischen Muster legt der Ifo-Geschäftsklimaindex derzeit einen BIP-Zuwachs von rund 6 Prozent nahe. Man muss nun kein Volkswirt sein, um festzustellen, dass ein Wachstum in dieser Größenordnung illusorisch ist. Läuft es für die deutsche Wirtschaft weiterhin gut, ist ein Wachstum von knapp 2 Prozent drin – auch das ist noch ein erfreulicher Wert."

Trotz der internationalen politischen Turbulenzen hält die deutsche Wirtschaft nun seit sieben Jahren einen soliden Wachstumskurs. Es herrschen also goldene wirtschaftliche Zeiten. Die meisten Unternehmen strotzen vor Kraft und die privaten Haushalte freuen sich über eine gute Beschäftigungssituation. Besser geht es kaum."ANDREAS SCHEUERLE, DEKABANK:

"Die Party geht weiter! Das Fest wird immer rauschender und die Stimmung schaukelt sich auf. Man kennt das, aber im Unternehmenssektor sind solche Ereignisse eher selten. Gegenwärtig werden wir Zeuge einer solchen Entwicklung. Schon im ersten Quartal war die Stimmung der Unternehmen – egal ob Einkaufsmanagerindex oder Ifo-Geschäftsklima – im Vergleich zur tatsächlichen Entwicklung viel zu optimistisch. Im zweiten Quartal hat sich diese Tendenz noch weiter verstärkt. Das wird sich irgendwann korrigieren, nur dann sollten wir bitte nicht den Fehler machen, dies als den Weg in die nächste Rezession zu interpretieren."

ALEXANDER KRÜGER, CHEFVOLKSWIRT BANKHAUS LAMPE:

"Die Stimmung in der gewerblichen Wirtschaft bleibt fantastisch, auch wenn die Geschäftserwartungen nicht richtig mitziehen. Damit ist die Stimmung im zweiten Quartal 2017 nochmals deutlich besser gewesen als im ersten Quartal. Vor allem die Geschäftslage spricht für einen Zuwachs beim Bruttoinlandsprodukt von klar über einem Prozent gegenüber Vorquartal. Dazu dürfte es aber nicht kommen: Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass sich die gute Stimmung nur sehr unterproportional in die harten Konjunkturdaten überträgt."

UWE BURKERT, LBBW-CHEFÖKONOM:

"Für das Geschäftsklima scheint es kein Halten zu geben. Wir sehen drei maßgebliche Faktoren als Treiber der sehr guten Konjunktur in Deutschland: Die niedrigen Zinsen, den fallenden Ölpreis und den zum US-Dollar unterbewerteten Euro. Solange diese Faktoren wirken, dürfte sich an der Konjunkturdynamik in Deutschland wenig ändern. Risiken wie der Brexit oder eine erratische Politik in den USA, die noch vor Monaten die Wahrnehmung dominierten, werden derzeit ausgeblendet. Mittelfristig droht sogar eine Überhitzung, die sich zum Beispiel in Knappheiten am Arbeitsmarkt oder einem übertriebenen Preisanstieg an regionalen Immobilienmärkten zeigt. Bislang läuft aber alles noch rund."

VIOLA JULIEN, HELABA:

"Nachdem bereits im Vormonat ein Rekordhoch erreicht worden war, kann der Ifo-Index sich nochmals verbessern und lässt auf eine anhaltend gute Stimmung in den deutschen Unternehmen und ein intaktes Wachstumsszenario schließen. Es muss sich allerdings nun zeigen, ob die realwirtschaftlichen Indikatoren zu den äußerst guten Stimmungswerten aufschließen können."

(Reuters)

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