Nach 100 Millionen Rückrufen: Takata ist pleite

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Seit 2008 kämpft der japanische Autozulieferer Takata mit Problemen bei seinen Airbags. Weltweit wurden 100 Millionen Fahrzeuge mit dem fehlerhaften Teil ausgestattet, jetzt scheitert Takata bei der Finanzierung der Rückrufe.

Wien/Tokio. Eigentlich haben sie ja recht lange durchgehalten: Im November 2008 begann es ganz klein mit dem Rückruf von 4000 Honda-Modellen wegen Problemen mit den Airbags, und es endete mit weltweit 100 Millionen betroffenen Fahrzeugen von 19 verschiedenen Herstellern. Das konnte Takata dann doch nicht mehr stemmen: Der japanische Airbag-Hersteller meldete am Montag in den USA und in Japan Insolvenz an. Die europäische Tochter ist davon nicht betroffen, die Pleiten in den beiden Staaten hätten auch keinerlei Auswirkungen, hieß es von der Konzernleitung.

Zur Finanzierung eines Restrukturierungsplans soll der 1933 gegründete Konzern nun ausgerechnet an den chinesisch kontrollierten US-Zulieferer Key Safety Systems (KSS) zu einem Preis von 175 Milliarden Yen (1,4 Milliarden Euro) verkauft werden. Beide Seiten erzielten eine entsprechende Grundsatzvereinbarung, wonach KSS nahezu alle Vermögenswerte und operativen Geschäfte übernimmt, darunter auch die Herstellung von Sicherheitsgurten und Lenkrädern. Der Rest von Takata dürfte so weit wie möglich verkauft werden. Mit reinen Verbindlichkeiten von mehr als einer Billion Yen (8,1 Mrd. Euro) ist es eine der größten Insolvenzen in Japans Geschichte.

Takata kam wegen anhaltender Probleme mit seinen Airbags in Schwierigkeiten. Unter bestimmten Umständen konnten sie zu stark auslösen, durch herumfliegende Autoteile sollen deshalb bereits mindestens 16 Menschen getötet worden sein. Hunderte erlitten durch die Airbags Verletzungen.

Den Managern bei Takata dürfte das Problem bekannt gewesen sein, doch sie sollen nicht reagiert und schließlich sogar Unterlagen vernichtet haben. Gegen drei Manager wurden Strafanzeigen gestellt.
Die Japaner hatten mit ihren Airbags einen weltweiten Marktanteil von 20 Prozent, sie kommen auch in Modellen deutscher Autobauer vor. BMW gehört beispielsweise zu einer der 17 Autofirmen, die als Gläubiger im aktuellen Insolvenzverfahren gelistet sind. Sie wollen Schadenersatz für die Rückrufe. Laut der Kreditratingagentur Tokyo Shoko Research könnten sich die Verbindlichkeiten inklusive der Forderungen auf etwa 15 Milliarden Dollar belaufen.

Eine Milliarde Dollar Geldstrafe

In den Vereinigten Staaten hatte sich Takata Anfang dieses Jahres schuldig bekannt und eine Geldstrafe in Höhe von einer Milliarde Dollar akzeptiert. Zusätzlich mussten die Japaner zwei Fonds einrichten: einer dotiert mit 850 Millionen Dollar, um damit Autofirmen zu entschädigen, denen wegen der defekten Airbags Kosten für die Rückrufe entstanden waren. Der zweite Fonds mit 125 Millionen Dollar dient zur Entschädigung von Opfern.

Die Vereinigten Staaten waren hauptsächlich von den defekten Airbags betroffen. Etwa 70 Millionen der insgesamt 100 Millionen fehlerhafte Produkte waren in US-Autos verbaut. Allein die Rückrufe und die Reparaturen werden noch bis 2019, manche US-Medien sprechen sogar von 2020, dauern. Bisher seien lediglich 38 Prozent der Fahrzeuge repariert worden, erklärte das US-amerikanische Verkehrsministerium.

KSS habe sich abgesichert, damit er nach der Übernahme des Unternehmens nicht für die schadhaften Airbags haftbar gemacht werden kann. Stattdessen wird der verbliebene Unternehmensteil von Takata die Airbag-Auslöser samt -Sprengmittel (zum schnellen Aufblasen) austauschen. Shigehisa Takada, Geschäftsführer von Takata, erklärte, dass die Takada-Familie, die das Unternehmen kontrollierte, so lange involviert bleibe, bis der Verkauf abgeschlossen sei. Details wollte er bei einer Pressekonferenz nicht nennen.

Die Takada-Familie hatte lange Zeit geglaubt, die Rückrufe finanzieren zu können. Am Ende hatte man auf einen Investor gehofft, der sich einkaufen und so Finanzmittel einbringen könnte. Die japanische Regierung lobbyierte angeblich für einen Einstieg japanischer Automarken, angeführt von Honda, dem größten Kunden Takatas. Doch das Risiko war den Beteiligten zu hoch.

Weltweite Vernetzung der Industrie

Die 100 Millionen durch Takata-Airbags betroffenen Fahrzeugen sind ein Beispiel für die weltweite Vernetzung der Autoindustrie. Ein Zulieferer stellt Teile für viele Hersteller her, die ihrerseits diese Teile in vielen verschiedenen Eigenmodellen verbauen. Früher bot ein Hersteller weniger Modelle, die sich dafür wesentlich unterschieden. Heute ist die Produktpalette gewachsen, dafür ist das Innenleben vieler Modelle technisch weitgehend gleich. (red./ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2017)

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