Griensteidl: Dieses Café wird kaum fehlen

APA/Sarah Kvech
  • Drucken

Das Griensteidl am Wiener Michaelerplatz sperrt zu. Weil die steigenden Mietpreise für den Betreiber Do & Co nicht mehr tragbar waren. Wirklich leid tut es einem nur um den Platz.

Ein Traditionskaffeehaus sperrt zu und die Stadt jammert. Gemeint ist das Café Griensteidl am Wiener Michaelerplatz, das am Mittwoch zum letzten Mal aufsperrt. Allerdings hat das Kaffeehaus gar keine besonders lange Tradition und so richtig traurig sind, abgesehen von ein paar Empörten auf Twitter und Facebook, wenige. Erst 1990 hat das heutige Griensteidl an Ort und Stelle des ehemaligen, 1847 eröffneten und 1897 abgerissenen, Cafés mit gleichem Namen wieder aufgesperrt. Doch zu seinen Ursprüngen fand die Kopie in den vergangenen 27 Jahren nicht zurück. Literaten und Künstler zog es, anders als das Vorbild in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, nicht mehr an. Ausdauernde Touristen standen und stehen bis heute lieber vor dem nahen Café Central in der Herrengasse Schlange. Mitarbeiter von Bundeskanzleramt und den benachbarten Ministerien gingen und gehen doch lieber ein paar Schritte weiter ins Landtmann oder in eines der Wiener Mittagsbeisln  der Gegend. Der durchschnittliche Wiener außerhalb der Politik- und Medienbranche war im Laufe seines Lebens vermutlich einmal drin, um zu erkennen, dass er erstaunlich wenig verpasst hatte.

"Trockene Sachertorte, blasierter Kellner"

Das Wehklagen über die schrumpfende Wiener Kaffeehauskultur, in das nun einige einstimmen, ist also schwer nachvollziehbar. Wieso einer Institution nachweinen, die ihr Geschäft nicht besonders liebevoll ausgeführt hat? "Gute Lage, arroganter Service, schlechter Kuchen." - So lautet etwa die Kurzfassung einer aktuellen Bewertung des Griensteidl auf dem Bewertungsportal TripAdvisor. Wobei sich, so ehrlich muss man sein, in den rund 700 Einträgen zu dem Wiener Café auch immer wieder ausnehmend positive Erfahrungsberichte finden, manch einer lobt ausdrücklich das "tolle Service mit humorvollen Kellnern". Der Großteil der Besucher beschwert sich aber über "zu trockene Sachertorten" und "blasierte Kellner". Und ja, der grantige Kellner gehört aus irgendeinem Grund zum richtigen Wiener Kaffeehaus wie das viel zu kleine Wasserglas zum dort servierten Kaffee. Aber wenn ein Grantscherm serviert, sollten im Gegenzug zumindest die (Mehl-)Speisen schmecken, das Zeitungssortiment besonders ausgefallen sein oder das Kaffeehaus sonst irgendetwas bieten. Die Lage allein reicht nicht.

Was auch nicht jeder weiß: Das Griensteidl wurde zuletzt vom börsennotierten Caterer Do & Co betrieben. Ein Betrieb, der zwar für seine Qualität der gehobenen Küche bei großen (Sport-)Veranstaltungen bekannt ist, aber eher nicht für seine besonders authentische Kaffeehauskultur. Weil der Gebäudeeigentümer, eine Tochter des Holzunternehmens Schweighofer, stetig die Mietpreise erhöht hat, will der Pächter aufhören. Verständlich, vor allem, wenn wie eingangs erwähnt, bei ihm die Touristen eben nicht Schlange stehen. Und noch eine gute Nachricht am Rande: Die 33 Arbeitsplätze bleiben erhalten, die Mitarbeiter können in anderen Betrieben von Do & Co weiterarbeiten. 

Übrigens, die Kaffeehaus-Dichte in unmittelbarer Nähe bleibt hoch. Erst wenn das von seinen süßen Auslagen lebende Demel, der authentischere Bräunerhof ums Eck des kleinen, vielleicht etwas zu touristischen Hawelka, der verstaubte, aber gemütliche Tirolerhof, das unkomplizierte Korb oder das Café Diglas mit den urigsten Fensterplätzen Wiens, zusperren, müssen wir uns Sorgen machen.

Wirklich schade ist nur eines: In die Räume des Griensteidl soll kein neuer Gastronomiebetrieb einziehen. Somit kommt an den wunderbaren verkehrsberuhigten, wenn auch etwas zu glatt sanierten Michaelerplatz kein neues Café oder Restaurant. Das ist eine Platz-Verschwendung! 

anna-maria.wallner@diepresse.com

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.