Ringsperren: Handel schlägt neue Demo-Zonen vor

Für Wiens Image ist etwa die Regenbogenparade ein Gewinn, den Innenstadthändlern sind die Veranstaltungen aber zu viel.
Für Wiens Image ist etwa die Regenbogenparade ein Gewinn, den Innenstadthändlern sind die Veranstaltungen aber zu viel. (c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Innenstadthändler klagen über 35 Mio. Euro Umsatzverlust und wollen eine Art Speakers' Corner am Schwarzenbergplatz oder Rathausplatz. Eine juristische Regelung ist vom Tisch.

Wien. Die Regenbogenparade, der Life Ball, der Wien-Marathon – und dann diverse Demonstrationen oder Paraden zu Themen wie der Freigabe von Cannabis. Was für die einen eine große Party ist, die an den Samstagen in der Wiener Innenstadt stattfindet, ist für die Unternehmen zuallererst ein ziemlich großes Ärgernis.

Diesen Ärger hat die KMU Forschung Austria nun im Auftrag der Wirtschaftskammer in Zahlen gegossen: An Tagen mit Ringsperre komme es demnach zu Umsatzeinbußen von bis zu 80 Prozent (im Schnitt sind es bei den befragten Händlern an solchen Tagen 18 Prozent weniger Umsatz als an Vergleichstagen). In Summe hätten demo- und veranstaltungsbedingte Sperren der Ringstraße dem Einzelhandel der Innenstadt allein 2016 einen Umsatzverlust von 35 Mio. Euro beschert. Das seien 2,6 Prozent des Gesamtjahresumsatzes aller 1460 Einzelhandelsunternehmen der Innenstadt, so Peter Voithofer, Direktor der KMU Forschung Austria.

Balluch-Aktion als Vorbild

Dieser Erhebung zufolge sei der Ring 2016 an 37 Einkaufstagen durch Veranstaltungen oder Demos zumindest teilweise und für einige Stunden für den Verkehr gesperrt – davon an 19 Samstagen.
Das sind weit weniger Sperrtage, als die Wirtschaftskammer bisher angab. Da war etwa von Demonstrationen an fast jedem dritten Tag, bzw. 101 Demonstrationen im Jahr 2015 die Rede. Am Montag hieß es nun, 2015 war ein extremes Jahr, und nicht jede Demonstration falle auf einen verkaufsoffenen Tag. Aber trotz der niedrigeren Zahl sei die Situation teils untragbar, heißt es von der Kammer. Sie schlägt etwa den Schwarzenbergplatz vor – bzw. den Bereich vor dem Hochstrahlbrunnen, der 1000 bis 3000 Menschen fassen würde.

Als eine Art Best-Practice-Beispiel nennt Rainer Trefelik die „Mahnwache“ mit toten Tieren von Martin Balluchs Verein gegen Tierfabriken vergangenen Herbst. „Auch wenn ich es selbst kaum glauben kann, dass ich einmal den Balluch als gutes Beispiel nenne“, sagt Trefelik, aber diese Aktion hätte auch inhaltlich funktioniert.

Schließlich, sagt er, hätten auch die Veranstalter der Demos das Problem, dass häufig nicht deren Inhalte und Forderungen in Erinnerung blieben, sondern bloß der Ärger über die Verkehrsbehinderungen in der Stadt. Ein zweiter Vorschlag für eine Demo-Zone ist der Rathausplatz, „das funktioniert ja am 1. Mai auch relativ gut“, so Trefelik.

Dass dort fast permanent Veranstaltungen stattfinden, müsse kein Hindernis sein, „da muss man einmal überlegen: Was wollen wir? Braucht es nicht auch einen zentralen Platz zur Meinungsäußerung und nicht nur einen Platz für ständige Veranstaltungen?“ Eine dritte Option sei der Platz der Menschenrechte an der Ecke Museumsquartier/Mariahilfer Straße. Wird an einem dieser Orte eine Art fixer Speakers' Corner eingerichtet, so können sich die Innenstadtkaufleute auch vorstellen, sich an Kosten, etwa von Lautsprechern oder Ähnlichem, zu beteiligen, meint Hermann Gmeiner-Wagner, Obmann des Einkaufsstraßenvereins Kärntner Straße.

Donauinsel „zum Vergessen“

Überhaupt geben sich die Händler nun, was die Demonstrationen betrifft, betont konsensorientiert. Die Demos an Orte wie die Donauinsel oder die Prater Hauptallee zu verbannen, könne man „vergessen“, so Trefelik. Überhaupt gehe es keineswegs darum, das Versammlungsrecht zu beschneiden.

Man wolle eine gemeinsame Lösung, um die Anliegen der Aktivisten und des Handels gleichermaßen zu berücksichtigen – also Vermeidung großräumiger Verkehrssperren bei gleichzeitiger Sichtbarkeit für die Veranstalter.

Wie geht es nun weiter? „Wir wollen uns nun mit Parteien und den NGOs zusammensetzen. Es klingt vielleicht naiv, aber wir versuchen es mit einem Austrian Way: miteinander reden“, sagt Trefelik.
„Eine legistische Lösung werden wir nicht bekommen“, also hofft er auf eine informelle Übereinkunft, dass der „Demo-Marathon“ in der Innenstadt beendet wird. Auch, indem etwa Vereinbarungen mit den Parteien getroffen werden, deren Vorfeldorganisationen auch bei den Demonstrationen beteiligt sind. Denn eines sei klar: Wenn es so weitergeht, könne der Handel in der Innenstadt nicht bestehen. Werde es dort zu mühsam für die Kunden, dann würde eben in der SCS, in Parndorf oder im Internet eingekauft. (cim)

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