Schön ist, wer zur Vorstellung von schön passt

Schönheit steht auf dem Kopf.
Schönheit steht auf dem Kopf. (c) Uni Wien
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Psychologie. Warum nehmen wir Gesichter als mehr oder weniger attraktiv wahr? Wiener Forscher zeigten nun, dass wir ein Gesicht als schön empfinden, wenn wir keine Abweichung von einem Ideal bzw. keinen Makel finden.

Dem Gehirn könnte es doch egal sein, ob etwas schön oder „schiach“ ist. Warum hat sich trotzdem im Lauf der Evolution das Gehirn so entwickelt, dass es schöne von hässlichen Dingen unterscheidet und dass wir Artgenossen als hübsch oder unhübsch empfinden? In früheren Studien fiel den Forschern vom Institut für Psychologische Grundlagenforschung der Uni Wien auf, dass Probanden, die am Bildschirm Gesichter nach ihrer Attraktivität beurteilen sollten, in der Befragung erklärten: Sie finden solche Gesichter schöner, die weniger Makel aufweisen. Für schöne Eigenschaften gab es kaum Beschreibungen, doch zu große Nasen, zu breite Ohren, zu viele Falten oder zu enge Augenbrauen fallen den Probanden schnell auf.

Das Team um Helmut Leder nutzte nun den als „Margaret Thatcher Illusion“ bekannten Trick, um diese Hypothese zu testen. Der britische Forscher Peter Thompson veröffentlichte in den 1980er-Jahren eine Studie, die zeigte, dass man bei Gesichtern berühmter Leute, in dem Fall Premierministerin Margaret Thatcher, nicht erkennt, dass sie zu einer Fratze verzerrt sind, wenn man das Bild auf den Kopf stellt.

Gedreht wirkt attraktiver

„Die Verarbeitung von Gesichtern in unserem Gehirn ist also gehemmt, wenn man auf dem Kopf stehende Gesichter betrachtet“, sagt Jürgen Goller, für den die Studie Teil seiner Dissertation ist. „Unsere Hypothese war, dass gewisse Elemente des Gesichts nicht mehr erkannt werden, wenn sie umgedreht betrachtet werden.“

Getestet wurden 96 Bilder von anonymen Menschen (davon 48 Frauen), teils Studierende, teils Leute von der Straße. Bewertet wurden sie von 60 Probanden, die an der Uni Wien ins Labor gebeten wurden, um am Bildschirm die Attraktivität der unbekannten Menschen einzuschätzen. Die Gesichter wurden entweder aufrecht, um 90 Grad oder um 180 Grad gedreht, also auf dem Kopf stehend, präsentiert.

Sollte Schönheit wirklich als Fehlen von Makel empfunden werden, so müssten gedrehte Bilder der Gesichter attraktiver erscheinen als aufrechte. „Und, wenn dem so ist, dann müsste dieser Effekt umso stärker sichtbar sein, je weniger attraktiv das Gesicht im aufrechten Bild eingestuft wird.“ Denn dann gäbe es ja mehr negative Elemente, die nur im aufrechten Bild auffallen und im umgedrehten das Schönheitsempfinden weniger stören. „Genau das zeigte sich: Die Gesichter wurden in gedrehter Position attraktiver bewertet. Und je weniger attraktiv ein Gesicht aufrecht eingestuft wurde, umso mehr profitierte es von der Rotation“, sagt Goller. Anscheinend haben wir ein Ideal oder einen Prototyp eines schönen Gesichts abgespeichert und empfinden Abweichungen davon als unattraktiv. „Das passt gut zur Grundidee, warum wir überhaupt auf kognitiver Ebene etwas schön finden: Wenn es zu unseren Erwartungen und Vorstellungen passt, dann wirkt es belohnend im Gehirn“, sagt Goller.

Bei Gesichtern ist dies aus biologischen und sozialen Gründen besonders relevant: Das Gesicht verrät uns nicht nur Geschlecht und Alter des Gegenübers, sondern meist auch Emotionen, Vertrauenswürdigkeit und Absichten der Person. Die Forscher wollen nun das mentale Modell, demnach wir Gesichter im Vergleich zu idealen Vorstellungen als schön bewerten, noch weiter untersuchen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2017)

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