Virtuelle Patienten erhalten Ernährungstherapie

Hübsch angerichtete Brote
Hübsch angerichtete Brote(c) imago/Westend61 (Roman Märzinger)
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Die FH St. Pölten erstellt in einem EU-Projekt Fallbeispiele von Patienten, die Studierende der Diätologie in ganz Europa dann virtuell behandeln. Der erste Test in Antwerpen verlief positiv.

Die virtuelle Patientin, die an der FH St. Pölten entwickelt wurde, ist 47 Jahre alt und übergewichtig, hat Herz-Kreislauf-Probleme, hohen Blutdruck, Diabetes und eine Fettstoffwechselstörung. Studierende der Diätologie sollen anhand ihrer Erzählung (nachgespielt von einer Schauspielerin), ihrer Blutwerte und anderer Marker sowie ihrer Krankengeschichte entscheiden, welche Diagnose zu stellen ist, welche Therapie man auswählen soll und ob es sinnvoll wäre, Psychologen oder Physiotherapeuten in die Therapie einzubinden.

Das Fallbeispiel stammt aus einem in Entstehung befindlichem MOOC. So ein Massive Open Online Course wird auf Universitätsniveau gratis online angeboten, wobei viele Studierende sich im virtuellen Raum zusammentun. Im Rahmen des EU-Projekts IMPECD (Improvement of Education and Competences in Dietetics) erstellen die Forscher der FH St. Pölten mit internationalen Partnern den ersten MOOC, der für die Studienrichtung Diätologie in Europa eingesetzt werden soll.

„Wir wollen so die Möglichkeit zur Internationalisierung bieten, weil Austauschsemester in unserer Bachelorausbildung nur schwer möglich sind“, sagt Alexandra Kolm vom Institut für Gesundheitswissenschaften der FH St. Pölten. Der neue MOOC wird die erste Vorlesung für Diätologen, die in einem internationalen Setting in englischer Sprache für Studierende aus ganz Europa zugänglich ist.

Diabetes, Krebs, Fettleibigkeit

„Bisher können MOOCs aus anderen Ländern nicht für unser Studium angerechnet werden, da wir die Lerninhalte mit unserem Curriculum abgleichen müssen und wir den Lernfortschritt der Studierenden schwer überprüfen können“, so Kolm. Das neue Online-Training für die Ernährungstherapie soll hingegen in den Lehrplan der Partneruniversitäten aufgenommen werden und die Leistungsbewertung der Studierenden so erfolgen wie bei einer normalen Vorlesung.

Insgesamt wurden fünf Fallbeispiele entwickelt, an denen angehende Diätologen testen, wie gut sie in ihrer fachlichen Einschätzung sind, ob sie die virtuellen Patienten korrekt behandeln würden oder welche Punkte sie bei der Diagnoseerstellung übersehen hätten. Neben der – virtuellen – übergewichtigen Frau mit Diabetes, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Problemen von der FH St. Pölten (basierend auf anonymisierten Daten von echten Patienten) leiden die virtuellen Patienten etwa an Schwangerschaftsdiabetes, Dickdarmkrebs, Fettleibigkeit oder Glutenunverträglichkeit. Diese Fallbeispiele wurden jeweils an den kooperierenden Hochschulen in Neubrandenburg und Fulda in Deutschland, Antwerpen in Belgien und Groningen in den Niederlanden erstellt.

Die Entwickler trafen sich heuer im Mai in Antwerpen, um mit 25 Studierenden aus den verschiedenen Ländern die Nutzerfreundlichkeit und Anwendbarkeit des neuen MOOCs zu testen. In realen Diskussionen, Face to Face anstatt über virtuelle und schriftliche Kommunikation, werden Fortschritte und Mängel des Produkts leichter erkannt. „Die unterschiedlichen Blickwinkel der Studierenden aus den anderen Ländern haben uns geholfen, den MOOC weiterzuentwickeln.“ Einige Beispiele erschienen den Studenten als „zu leicht“, sodass nachgefeilt werden musste. Der MOOC soll nächstes Jahr noch einmal evaluiert werden, bevor er 2018 ins Studium der Diätologie integriert werden kann.

LEXIKON

Die Diätologie ist seit 1992 ein gesetzlich anerkannter Gesundheitsberuf – früher bezeichnet als Diätassistent und ernährungsmedizinischer Berater. Diätologen in Österreich werden an FH in fünf Bundesländern ausgebildet. Sie erstellen Therapien für Patienten mit ernährungsspezifischen Problemen, etwa bei Stoffwechselstörungen, Bluthochdruck oder Krebs.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2017)

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