EU-Standorte

Nach dem Brexit: Wo Londoner Banken Exil finden

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Derzeit betreiben viele internationale Banken ihr Europa-Geschäft von London aus. Nach dem Brexit wird das nicht mehr möglich sein. Davon profitieren dürften vor allem Frankfurt, Paris und Dublin.

Wien. Nach dem EU-Austritt Großbritanniens brauchen in London ansässige Finanzinstitute eine eigene Gesellschaft mit Banklizenz in einem EU-Land. Nur dann dürfen sie in den verbleibenden 27 Mitgliedstaaten weiterhin ihre Produkte und Dienstleistungen anbieten. Wobei auch schon klar ist, dass bloße Briefkastenfirmen innerhalb der EU nicht reichen dürften: Diese sind der EU-Finanzaufsicht, ESMA, ein Dorn im Auge. Auch die deutsche Finanzaufsicht, BaFin, verlangt, dass die Banken wesentliche Teile ihres Managements von Großbritannien in die EU verlagern. Aber wohin wird es die Brexit-Flüchtlinge ziehen? So viel ist bisher über die neuen Standorte bekannt:

Frankfurt. Die Stadt am Main dürfte besonders stark von den Standortverlagerungen profitieren. So will etwa die Deutsche Bank, die hier ohnehin ihren Stammsitz hat, Teile des Wertpapiergeschäfts von London nach Frankfurt verlagern. Am Firmensitz soll ein Buchungszentrum entstehen, in dem große Teile des Europa-Geschäfts mit institutionellen und Firmenkunden abgewickelt werden. Die US-Großbank Citigroup, die das Handelsgeschäft derzeit über ihre britische Tochter betreibt, will ihre bestehende Frankfurt-Tochter ebenfalls stärken, sie soll mit einer Handelslizenz ausgestattet werden. Auch die größte US-Bank, JP Morgan, wird sich wohl für Frankfurt als rechtlichen Sitz für das Europa-Geschäft entscheiden – die erforderlichen Lizenzen besitzt ihre Tochter am Main bereits.

Goldman Sachs kündigte an, alle Europa-Standorte auszubauen – die US-Investmentbank hat Banklizenzen in Deutschland und Frankreich sowie Niederlassungen in weiteren Städten. Die Zahl der Stellen in Frankfurt – derzeit sind es rund 200 – werde sich wenigstens verdoppeln, kündigte Europa-Chef Richard Gnodde im Juni an. Einem Insider zufolge könnte auch die Investmentbank Morgan Stanley ihren Standort am Main in einer ähnlichen Größenordnung ausbauen. Weitere Institute, die Frankfurt zu ihrer künftigen Europa-Basis machen wollen, sind die britische Großbank Standard Chartered sowie die japanischen Institute Mizuho Financial, Sumitomo Mitsui Financial Group, Nomura und Daiwa Securities.

Insgesamt könnten dadurch in Frankfurt innerhalb der nächsten zwei Jahre 3000 bis 5000 Arbeitsplätze entstehen, erwartet der Verband der Auslandsbanken. Der Standortvermarkter Frankfurt Main Finance rechnet damit, dass bis 2021 rund 10.000 Stellen von der Themse an den Main verlagert werden. Jedenfalls dann, wenn auch die Europäische Bankenaufsicht (EBA) sowie das Euro-Clearing – also die Abwicklung von auf Euro lautenden Derivategeschäften – dorthin abwandern.

Paris. Dorthin will die britische Großbank HSBC rund 1000 Jobs verlagern, wenn es zu einem harten Brexit kommt, bei dem Großbritannien seinen freien Zugang zum europäischen Binnenmarkt verliert. Das französische Geldhaus Société Générale wiederum könnte rund 400 Jobs aus dem Investmentbanking und dem Firmenkundengeschäft aus London abziehen, die meisten davon nach Paris, wie Vorstandschef Frédéric Oudéa sagte. Auch bei BNP Paribas gibt es einem Insider zufolge Überlegungen, bis zu 300 Investmentbanker nach Frankreich zu verlagern. Rund 100 Mitarbeiter der Crédit Agricole könnten ebenfalls von London nach Paris übersiedeln.

Dublin. Die britische Großbank Barclays will ihren dortigen Standort erweitern. Auch die US-Bank Citigroup hat in Dublin eine Tochter, die Citibank Europe plc (CEP). Sie baute diese bereits im Vorjahr aus und will ihr normales Bankgeschäft in Europa künftig von dort aus betreiben. Für das Handelsgeschäft soll die Tochter in Frankfurt zuständig sein. (Reuters/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2017)

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