Die EM-Endrunde in den Niederlanden wird einen Premierensieger küren, denn wie Österreich haben viele Länder gegenüber den Traditionsnationen im Frauenfußball aufgeholt. Für Dominik Thalhammer ein positives Signal.
Wien. Von den Besten wollte ÖFB-Teamchef Dominik Thalhammer seine Spielerinnen in der Vorbereitung auf die EM-Premiere lernen lassen. Nun stehen neben Österreich mit Halbfinalgegner Dänemark sowie EM-Gastgeber Niederlande und England, die ebenfalls am Donnerstag (20.45 Uhr, live ORF Sport plus) das zweite Finalticket ausspielen, genau jene Teams unter den letzten vier, gegen die im Vorfeld getestet worden war. „Purer Zufall“, kommentierte der Teamchef seine Auswahl.
In Dänemark hat Frauenfußball wie in den anderen skandinavischen Ländern lange Tradition, der aktuelle Weltranglisten-15. war sowohl bei der ersten EM 1984 bzw. ersten WM 1991 vertreten. Auf einen Titel warten die Däninnen allerdings immer noch, zuletzt wurden gar zweimal die Weltmeisterschaften verpasst. In den Niederlanden machte die Mannschaft von Nils Nielsen mit dem 2:1-Sieg im Viertelfinale gegen Titelverteidiger Deutschland auf sich aufmerksam. Das Sturmduo Pernille Harder und Nadia Nadim präsentiert sich wie das gesamte Team deutlich verbessert gegenüber dem Testspiel in Wr. Neustadt vor drei Wochen, das Österreich hochverdient mit 4:2 gewonnen hatte. „Das gibt uns ein gutes Gefühl, bedeutet aber nichts“, hielt Thalhammer deshalb fest.
Neue Ligen und Strukturen
Im Gegensatz zu Dänemark haben England und die Niederlande erst im vergangenen Jahrzehnt einen großen Entwicklungssprung gemacht. So wurde im Gastgeberland 2007 die Eredivisie für Frauen eingeführt, in der drei Saisonen lang auch belgische Vereine mitspielten. Seit 2012 sind auch die aus dem Männerfußball bekannten Namen Ajax Amsterdam und PSV Eindhoven mit Mannschaften vertreten, was die Aufmerksamkeit steigerte. An vier Standorten können Mädchen nun in Akademien an einer professionellen Fußballkarriere arbeiten, zudem dürfen sie offiziell bis zum Alter von 19 Jahren (Österreich 14, Deutschland 17) in gemischten Teams spielen und sich damit einem intensiveren Konkurrenzkampf stellen.
In England datieren Frauenspiele bis ins 19. Jahrhundert zurück, seriöse Strukturen aber wurden erst sehr viel später eingeführt. 1993 übernahm der englische Verband die Führung, installierte fünf Jahre später mit Hope Powell erstmals einen Vollzeit-Coach und stellte schließlich auch die Ligastruktur auf völlig neue Beine. Seit 2011 ist die FA Women's Super League die höchste Spielklasse, in der sich mit Chelsea, Arsenal, Manchester City oder Liverpool prominente Namen tummeln.
Trotz finanzieller Probleme zu Beginn hat sich die semiprofessionelle Liga inzwischen etabliert. Davon profitiert das Nationalteam, so steht mit Toni Duggan (FC Barcelona) nur eine Legionärin im aktuellen EM-Kader von Mark Sampson. EM-Silber 2009 und WM-Bronze 2015 bestätigen den englischen Weg, der zum EM-Titel führen soll.
Die Wachablöse ist nach Deutschlands Ausscheiden jedenfalls mit einem Premierensieger gewiss. Die Stimmung beim achtmaligen Europameister ist auf dem Tiefpunkt, ob DFB-Teamchefin Steffi Jones nach ihrer verpatzten Turnierpremiere weitermachen darf, ist fraglich. Für Thalhammer ist diese Entwicklung jedoch ein überaus positives Signal für den Frauenfußball: „Endlich ist der Mythos durchbrochen, dass Außenseiter nichts erreichen, nur Favoriten gewinnen können.“ (swi)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2017)