Deutschland: David will 163 Mio. von Banken-Goliath

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Ein Händler kaufte Zertifikate zu einem irrtümlich viel zu niedrigen Preis. Die Bank will nicht liefern. Nun startet einer der größten Zivilprozesse einer Privatperson.

Wien. An nur einem Tag 163 Millionen Euro verdienen: Davon träumen Trader. Armin S. ist es geglückt, zumindest auf dem Papier und dank eines Fehlers des Verkäufers. Der selbstständige Frankfurter Wertpapierhändler kaufte an einem Freitagmorgen im Dezember 2015, noch verkatert von einer durchfeierten Nacht, über eine außerbörsliche Plattform 3000 Zertifikate von der französischen Großbank BNP Paribas. Was sich hinter strukturiertem Papier mit der Kennnummer DE000AA2GDQ0 verbirgt, welche Wette auf welchen Basiswert, weiß nur die Bank. Der Preis pro Stück: 108,80 Euro, also 326.400 Euro in Summe.

Die deutsche Depotbank des Händlers verbuchte den Kauf, aber BNP Paribas lieferte nicht. Armin S. urgierte am Dienstag darauf. Die Franzosen teilen per E-Mail mit, der Trade sei „erfasst“, müsse aber noch „manuell gebucht“ werden. Erst datiert mit Donnerstag erhielt die Depotbank später ein Schreiben: Es sei ein Fehler passiert, tatsächlich ist jedes Zertifikat 54.400 Euro wert. Jemand hatte an diesem verflixten Freitag versehentlich einen viel zu niedrigen Preis eingetragen. Armin S. klagte auf Herausgabe des unverhofften Geschenks.

Nun beginnt am Frankfurter Landgericht einer der größten Zivilprozesse einer Privatperson, die jemals in Deutschland geführt wurden. Wie sieht die Sache rechtlich aus? Wer als einfacher Bankkunde zu viel auf sein Konto überwiesen bekommt, darf sich keine Hoffnungen machen, das Geld behalten zu dürfen. Das Bürgerliche Recht spricht hier von „ungerechtfertigter Bereicherung“. Im professionellen Handel mit Wertpapieren gelten aber klare Regeln. Eingabefehler – sogenannte Mistrades oder „fette Finger“ – passieren dort immer wieder. Bei Geschäften an der Börse ist ein Einspruch möglich, muss aber bis elf Uhr des folgenden Werktags erfolgen. Genau diese Frist steht auch im Rahmenvertrag, den die Depotbank mit BNP Paribas abgeschlossen hat. Die Franzosen hätten sich also schon am Montag melden müssen. Zudem klingt das E-Mail vom Dienstag („erfasst“, „manuell gebucht“) stark nach einer Bestätigung des Geschäfts. Bloomberg-Daten zeigen, dass der falsche Preis bis zum Donnerstag (dem Datum des Anfechtungsschreibens) im System war. Offenbar hat die Bank ihn erst dann entdeckt.

Die Argumentation der Anwälte von BNP Paribas: Der Trader hätte als Mann vom Fach wissen müssen, dass der Kurs dieses Zertifikats bisher immer über 50.000 Euro lag. Es habe sich also um einen „offensichtlichen Fehler“ gehandelt, der Händler habe die Bank „arglistig getäuscht“. Stimmt nicht, behauptet Armin S. Die Zertifikate habe er, verkatert wie er war, einfach nur auf Empfehlung seines selbst gebastelten Algorithmus gekauft. (gau)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2017)

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