Leichtathletik: Der letzte Vorhang für Usain Bolt

Usain Bolt in seiner liebsten Pose. Bislang war auch kein Sprinter schneller als der Jamaikaner.
Usain Bolt in seiner liebsten Pose. Bislang war auch kein Sprinter schneller als der Jamaikaner.(c) APA/AFP/ADRIAN DENNIS
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Nach der WM in London wird Sprinter Usain Bolt, 30, zurücktreten. Der Abschied des schnellsten Mannes der Welt lässt Gegner aufatmen, doch die Sportart verliert ihre Lichtgestalt.

London. Usain Bolt liebt Pop, Pathos und PR. Ohne Wirbel taucht Jamaikas Sprintsuperstar nirgends auf, und wo auch immer der schnellste Mann der Welt auf eine Bühne klettert, die Reaktion ist weltweit gleich: Dem Weltrekordler (9,58 Sekunden über 100 Meter), achtmaligen Olympiasieger und Titelverteidiger bei der Leichtathletik-WM in London fliegen die Herzen zu. Bolt, 30, ist der ultimative Sympathieträger dieser Sportart und zugleich ihr Befreier, weil er über alle Verdächtigungen bislang erhaben blieb, seine Läufe unter die Haut gingen und sein schlaksig anmutender Auftritt mit ungeheuer langen Schritten eher echten Starkult vermittelte als der muskulöser, vor Kraft regelrecht platzender Kontrahenten.

Die Leichtathletik preist ihren Superstar, dass er aber in London auch seine Karriere beenden wird, stürzt die olympische Paradedisziplin gleich in die nächste Krise nebst der Suche nach Innovation und dem Kampf gegen Doping.

Vor der WM rargemacht

Die Lichtgestalt hat ihren Abschied sorgfältig vorbereitet. Über 100 Meter, die Vorläufe heben heute an, und in der 4 x 100-Meter-Staffel wird Bolt starten. Damit er auch ja Eindruck hinterlässt, ließ er seine Laufschuhe gold-purpur einfärben, das Credo „Forever Fastest“ ist aufgedruckt. Seine Bestzeiten von 9,58 Sekunden oder 19,19 Sekunden (über 200 Meter) werden womöglich auch noch für sehr lange Zeit erhalten bleiben.

Bolt hat sich in dieser Saison bislang rargemacht, beim Farewell vor 30.000 Fans in Kingston trabte er mit (10,03 Sek.), in Ostrau (10,06) und Monaco (9,95) zeigte er zumindest die Ambition, wirklich gewinnen zu wollen. Dass andere im Saisonverlauf schneller waren, vor allem jüngere Sprinter wie der Amerikaner Chris Coleman (9,82 Sek.), die sich anschicken, in Bolts Fußstapfen zu treten, tangierte den Jamaikaner nicht.

Bolt wird, den Finaleinzug vorausgesetzt, seine Blicke nur seinem ewigen Rivalen widmen, Justin Gatlin. Der Amerikaner musste sich 2013 in Moskau und 2015 in Peking jeweils mit WM-Silber begnügen, ebenso bei Olympia 2016 in Rio de Janeiro. Seine großen Erfolge stammen mit Olympiagold 2004 in Athen und dem WM-Sprint-Double 2005 in Helsinki aus der Ära vor Bolt. Dazwischen thronen, wenngleich es die Szene stets unter den Tisch zu kehren versucht, gleich zwei Dopingsperren. Dass der mittlerweile 35-Jährige beteuert, sauber schneller zu laufen denn je, ist eine dieser Sichtweisen, die diesen Sport begleiten, seine Glaubwürdigkeit einer gehörigen Prüfung unterziehen. Auch, dass Gatlin weiterhin nicht ans Aufhören denkt und schneller läuft als jüngere Kontrahenten, irritiert.

147 Siege, nur fünf Niederlagen

Aber kann Bolt, Supersprinter und Showman, sein Karriereende vergolden? Zweifel daran wischt der Jamaikaner beiseite. An der Legendenbildung wird mit Nachdruck gearbeitet. Was der übermächtige Athlet bei dieser WM gerne über sich lesen würde? „Usain Bolt tritt ungeschlagen zurück – das wäre die größte Schlagzeile“, sagt er. Und die Form? „Es geht darum, die Nerven zu behalten. Ich bin dafür bereit.“

Die Statistik spricht jedenfalls Bände: 147 Siege insgesamt, nur fünf Rennen seit 2008 in 86 Finals über 100 und 200 Meter verloren. Und Bolts Weltrekorde? „Ich will noch vor meinen Kindern damit angeben, wenn die 15 oder 20 sind und ich noch der Beste bin.“

Das Verlieren ist der Jamaikaner ohnehin nicht mehr gewohnt. In den vergangenen zehn Jahren setzte es für Bolt bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen nur eine Niederlage. Die fügte er sich quasi selbst bei: mit einem Fehlstart und der Disqualifikation im 100-Meter-Finale von Daegu 2011. Nachträglich abgeben musste er sein Staffel-Gold von Peking 2008, da sein Landsmann Nesta Carter des Dopings überführt wurde.

Am Samstag steht das große Finale an, 22.45 Uhr, dann steht die Leichtathletik für wenige Sekunden still, wenn acht Mann lossprinten. Das ist auch das Manko in der breiten Wahrnehmung der Leichtathletik-WM. Nach dem 100-Meter-Lauf der Herren ebbt das Interesse ab. Warum dieses Rennen nicht Highlight des zweiten Wochenendes sein darf, bleibt auch Usain Bolt ein Rätsel. (fin)

Auf einen Blick

Bei der Leichtathletik-WM in London wird ein Gesamtpreisgeld von 7,34 Mio. Dollar (6,2 Mio. €) ausgeschüttet. Jeder Sieger erhält 60.000 Dollar, ein Weltrekord bringt 100.000 Dollar (84.600 €).
Lukas Weißhaidinger ist einer von fünf ÖLV-Startern bei der WM, der Diskuswerfer ist heute in der Qualifikation (ab 20.20 Uhr) am Start. Er will in die Top 12, wirft mit seiner Lieblingsscheibe, Space Traveller, und braucht eine Mindestweite von 64,50 Metern für das Finale.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2017)

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