Otto Graf Lambsdorff tot: Trauer um großen Liberalen

Otto Graf Lambsdorff
Otto Graf Lambsdorff(c) REUTERS (ALEXANDRA BEIER)
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Otto Graf Lambsdorff wurde 1926 in Aachen geboren. Der Jurist trat der FDP bei, war Wirtschaftsminister in zwei Regierungen und lange FDP-Chef. Seit 1993 war er ihr Ehrenvorsitzender und graue Eminenz.

BONN (ag./red.). Es war der 31. März 1945, der Krieg ging seinem Ende zu, es war ein Ostersamstag und es war nahe Meiningen im deutschen Bundesland Thüringen, da schoss ein alliierter Jagdbomber dem damals achtzehnjährigen Otto Friedrich Wilhelm Freiherr von der Wenge Graf Lambsdorff das linke Bein in Stücke. Es musste vom Oberschenkel weg amputiert werden.

Lambsdorff, damals Offiziersanwärter bei den Panzeraufklärern, ging seither mit einer Krücke durchs Leben (später nahm er gern eine mit Silberknauf) – was ihn nicht daran hinderte, zu einem der standfestesten und profiliertesten Politiker in Nachkriegsdeutschland zu werden. Seine politische Heimat war die FDP, deren Ehrenvorsitzender er seit 1993 war. Am Samstag, zwei Wochen vor seinem 83. Geburtstag, rief ihn, für seine Familie angeblich völlig überraschend, der Tod dann doch zu sich. Wie sein Sohn Nikolaus erklärte, sei er in einem Spital in Bonn im Kreis seiner Familie von „seinen vielfältigen Leiden erlöst worden“.

Später Start einer Politkarriere

Lambsdorff, der aus westfälischem Adel stammte, 1926 in Aachen geboren wurde und lange in Berlin aufwuchs, studierte gerade Jus, als er 1951 der FDP beitrat. Danach war er unter anderem im Kreditgewerbe tätig, Rechtsanwalt und 1988 bis 2008 Aufsichtsratsvorsitzender des deutschen Kraftfahrzeugherstellers Iveco Magirus, doch berühmt wurde er für seine Karriere bei den Liberalen, die freilich erst zwei Jahrzehnte nach seinem Beitritt richtig durchstartete.

1972 zog der überzeugte Marktwirtschaftler für die FDP in den Bundestag und in den Parteivorstand ein. Seinen ersten Karrierehöhepunkt erzielte er im Herbst 1977, als er Wirtschaftsminister in der Koalition mit der SPD unter Kanzler Helmut Schmidt wurde.

Das folgenschwere „Wendepapier“

Das ging nicht gut: Anfang der 80er publizierte Lambsdorff sein „Konzept für eine Politik zur Überwindung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit“. Er sprach sich für mehr Leistung, Kürzung der Sozialausgaben und Erleichterung von Investitionen aus, womit er mit der SPD auf Kollisionskurs geriet. Tatsächlich wurde das Konzept als „Wendepapier“ bekannt, denn es führte im Herbst 1982 zum Zerfall der linksliberalen Koalition – die FDP wechselte in eine gemeinsame Regierung mit der Union unter Helmut Kohl.

Lambsdorff blieb Minister, musste aber 1984 gehen, als sich in der „Flick-Affäre“ zeigte, dass er und andere Politiker vom Flick-Konzern Geld genommen hatten. Dafür wurde er 1987 wegen Steuerhinterziehung zu umgerechnet 92.000 Euro Strafe verurteilt.

1988 wurde er FDP-Chef, der er bis 1993 blieb. Danach wirkte er als Ehrenvorsitzender und graue liberale Eminenz und konnte im Sommer 2000 einen Prestigeerfolg verbuchen, als er im Auftrag von SPD-Kanzler Gerhard Schröder mit den USA und Naziopferverbänden ein abschließendes Abkommen zur Regelung der Entschädigung für ehemalige Zwangsarbeiter schloss.

Lambsdorff war in zweiter Ehe mit Alexandra von Quistorp (*1945) verheiratet und hatte drei Kinder aus erster Ehe. Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigte ihn am Sonntag als menschlich wie politisch herausragenden Liberalen: „Er hat die Wirtschaftspolitik Deutschlands lange Jahre hindurch ordnungspolitisch geprägt und reiht sich ein in die großen Persönlichkeiten unserer sozialen Marktwirtschaft.“

ZUR PERSON

Otto Graf Lambsdorff wurde 1926 in Aachen geboren. Der Jurist trat der FDP bei, war Wirtschaftsminister in zwei Regierungen mit SPD bzw. Union und lange FDP-Chef. Seit 1993 war er ihr Ehrenvorsitzender und graue Eminenz. Er starb am Samstag in Bonn.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2009)

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