50 Millionen für einen Isländer, Unsummen für bessere Durchschnittsspieler: Der überhitzte Transfermarkt treibt seltsame Blüten.
Was haben Benjamin Mendy, Alexandre Lacazette, Bernardo Silva und Kyle Walker gemeinsam? Alle sind sie Fußballer, jeder einzelne war seinem neuen Arbeitgeber mindestens 50 Millionen Euro wert. Damit gehören sie zu den Top Ten der teuersten Transfers dieses Sommers. Nur: niemand kennt sie. Selbst der interessierte Fußballkonsument reagiert bei den Namen der teuersten Spieler nur noch mit Achselzucken, es braucht schon topinformierte Fans, wenn nicht Fußballinsider, um diese Profis zuordnen zu können oder gar über ihre Errungenschaften Bescheid zu wissen.
Die Entwicklung ist der Explosion am Transfermarkt geschuldet. Dank milliardenschwerer TV-Verträge sind für Durchschnittsspieler bereits Unsummen fällig. Und ein besserer englischer Mittelständler wie der FC Everton kann auch locker 49,4 Millionen Euro für einen Stürmer namens Gylfi Sigurdsson, 27, hinblättern. Damit hat es ein Isländer (immerhin zehn Tore in der vergangenen Saison für Swansea City) ebenfalls in die Top Ten der teuersten Transfers 2017 geschafft.
Paulinho, das Sinnbild. Ein Heer an Mitläufern lebt also prächtig vom Glanz, den Superstars wie Messi und Ronaldo ihrem Sport verleihen. Der FC Barcelona etwa versucht panisch, einen namhaften Ersatz für Neymar aufzutreiben, 125 Millionen Euro wollen die Katalanen für Liverpools Coutinho auf den Tisch legen. Vorerst aber müssen sich die Fans mit einem anderen Brasilianer, Paulinho, 29, vom chinesischen Klub Guangzhou Evergrande begnügen. Bei seiner trostlosen Vorstellung im Camp Nou sollte er gaberln, beim dritten Balkontakt scheiterte Paulinho, seither ergießt sich Spott über den 40-Millionen-Euro-Neuzugang. Eine unfaire Momentaufnahme, aber nun ein Sinnbild für den überhitzten Transfermarkt.
Auch die Bayern machen mit, holten von Olympique Lyon für 41,5 Millionen Euro Correntin Tolisso, 23, bisher nur Kennern der französischen Liga und Nationalmannschaft ein Begriff. Und Chelsea machte mit 65 Millionen Euro Ablöse Real-Madrid-Reservist Alvaro Morata, 24, zum drittteuersten Spieler dieser Transferperiode.
Ausgabenmeister ist bisher Manchester City, der Scheichklub hat im Sommer bisher knapp 250 Millionen Euro investiert. Dafür verfügt Pep Guardiola nun über die drei teuersten Abwehrspieler der Fußballgeschichte: Benjamin Mendy (23 Jahre, 57,50 Mio., AS Monaco) ist die neue Nummer eins, ihm zur Seite gestellt wurde Kyle Walker (27, 51 Mio., Tottenham), im Vorjahr war bereits John Stones (23, 55,6 Mio., Everton) gekommen.
Mit 40 Millionen Euro Ablöse hat City heuer einen gewissen Ederson, 24, von Benfica Lissabon zum zweitteuersten Tormann der Tranfergeschichte nach Gianluigi Buffon gemacht. Auch der eingangs erwähnte Bernardo Silva (23, 50 Mio., AS Monaco) spielt nun für die Citizens, außerdem Real-Ersatzmann Danilo (26, 30 Mio.). Den Austrianer Larry Kayode hat City gleich an Girona verliehen, seine knapp vier Millionen Euro Ablöse sind bestenfalls eine Fußnote.
Steckbrief
Benjamin Mendy,
23 Jahre alt, 1,85 m, linker Verteidiger.
Stationen
Le Havre, Olympique Marseille, Monaco, Manchester City.
Vier Länderspiele für Frankreich. ?AFP
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2017)